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Isolation

Isolation

Titel: Isolation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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ging im Geist alles durch, was sie lernte: Schauspielerei, Strategie, Computerwissenschaften, Elektronik und so weiter. Sie war noch nicht auf allen Gebieten voll ausgebildet, aber sie machte Fortschritte. Inzwischen bekam sie sogar Fahrstunden und übte zusammen mit den neuen weiblichen Beta-Modellen, die gerade aus den Bruttanks gekommen waren, an Panzern. Latimer hatte angekündigt, sie solle bald sogar eine Pilotenausbildung bekommen – ging es jetzt darum? Anscheinend wollte er auf irgendetwas hinaus, aber was war es?
    »Hier, probieren Sie mal!« Er reichte ihr die Flasche und entfernte sich wieder, wanderte durch die leere Dusche. »Hier duscht ihr also. Irgendwie überrascht es mich immer wieder, dass die Bereiche für Männer und Frauen einander so ähnlich sehen. Es sollte doch größere Unterschiede geben, aber was weiß ich. Oder vielleicht ist das auch eine dumme Idee.«
    Heron schnüffelte an der Flasche. Es war eindeutig Alkohol, und sie war noch fast voll. Hatte er die Flasche eigens für sie mitgebracht? »Wozu ist das?«, fragte sie.
    »Das ist Bier.« Er wandte sich wieder zu ihr um. »Man trinkt es. Trinken Sie!« Er kam ein paar Schritte auf sie zu und lehnte sich drei Meter entfernt, wo es trocken war, an die Wand. »Sie sind eine Spionin, Heron. Früher oder später müssen Sie etwas trinken. In der Theta-Grundausbildung werden Sie im Alter von sechs Monaten Alkohol probieren, aber ich denke, was soll’s? Sie sind inzwischen ein großes Mädchen. Trinken Sie!«
    Sie kostete und schnitt eine Grimasse. »Ich mag es nicht.«
    »Versuchen Sie es!« Seine Stimme klang etwas drängend, er wechselte allmählich von lässig zu vorgesetzter Offizier . Sie verkniff sich ein Stirnrunzeln, weil sie ihrem Ausbilder ihre Missbilligung nicht zeigen wollte, und trank einen weiteren Schluck. Es schmeckte säuerlich wie etwas Verdorbenes.
    Äußerlich ließ sie sich nichts anmerken. »Trinken die Menschen so etwas absichtlich und gern?«
    Latimer kam auf sie zu, nahm ihr die Flasche ab und trank sie in einem Zug fast aus. Er stand nur wenige Zentimeter vor ihr, viel näher als nötig. Schließlich ließ er die Flasche sinken und schmatzte. »Anscheinend wirkt es bei Ihnen nicht richtig, was? Der Stoffwechsel der Partials ist eigenartig.« Ein letzter Schluck, und die Flasche war leer. Mit dem Hals zielte er auf sie. »Wissen Sie, bei unseren ersten Tests haben unsere Jungs fast eine ganze Nacht gebraucht, um einen Partialsoldaten betrunken zu machen. Ein Glas nach dem anderen, ein Krug nach dem anderen. Am Ende griffen wir sogar zu den harten Sachen – Tequila, Gin, Whisky. Und das alles mit einem Strohhalm, denn ich schwöre Ihnen, so wird man viel schneller betrunken. Fragen Sie mich nicht, wie das funktioniert. Der arme Bursche bekam eine Alkoholvergiftung, ehe er überhaupt beschwipst war.«
    Heron legte den Kopf schief. »Waren Sie ein Mitglied des Forschungsteams?«
    Latimer lachte. »Ja, so könnte man es nennen. Vor allem wollten wir einfach sehen, was passiert, also haben wir einen armen Teufel aus dem Quartier geholt und uns besoffen. Ich konnte am nächsten Tag kaum laufen, und er blieb eine Woche im Krankenhaus.« Er wollte noch einen Schluck aus der Flasche trinken, erinnerte sich, dass sie leer war, und ließ sie sinken. »Ist Ihnen klar, wie schwer es ist, einen von Ihnen ins Krankenhaus zu bringen?«
    Heron wandte sich zum Gehen. »Da wir gerade vom Quartier sprechen, ich muss jetzt schlafen.«
    »Lassen Sie das Handtuch fallen!«, verlangte Latimer.
    Aus reiner Gewohnheit griff Heron nach dem Handtuch, das vor dem Oberkörper festgeklemmt war, und wollte es abnehmen, doch dann hielt sie inne. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte sie. Sie wandte sich zu ihm um und betrachtete sein Gesicht. Er lächelte breit und trank ihren Anblick mit ebenso tiefen Zügen wie das Bier. Ihr wurde bewusst, dass das Handtuch ihren Körper kaum verhüllte. Sie ließ die Hand sinken. »Warum?«
    »Sie haben einen genetisch perfekten Körper«, sagte Latimer. Im Duschraum gab es mehrere niedrige Metallhocker. Er stellte die Flasche auf einem davon ab und näherte sich wieder. Seine Stimme war jetzt tiefer, seine Atmung hatte sich verändert. »Aber wissen Sie ihn auch einzusetzen?«
    Heron hatte keine Ahnung, was er damit sagen wollte. »Ich laufe eine Meile in drei Minuten und fünf Komma zwei Sekunden«, erwiderte sie. »Aus dem Stand springe ich einen Meter zwanzig hoch, und beim Bankdrücken schaffe ich das

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