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Isolation

Isolation

Titel: Isolation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Miene. »Wir dürfen nicht zulassen … dass die Satbox den Feinden in die Hände fällt.«
    Er will sich selbst retten, dachte Heron. Er sucht nach Vorwänden.
    »Als Anführer müssen wir in der ersten Reihe stehen«, widersprach Bao und schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Wie können Sie Ihre Soldaten zum Kampf auffordern, während Sie selbst ins Hinterland fliehen? Das wird die Moral untergraben.«
    Beide verhielten sich so, wie es ihrem Typus entsprach. Heron konnte sie genau einschätzen und beobachten, wie sie fast Punkt für Punkt die psychologischen Profile abarbeiteten, die sie ihrem Vorgesetzten längst übermittelt hatte. Wu war ein Feigling und würde buchstäblich alles opfern, um die eigene Haut zu retten. Bao war Idealist und sah sich als Chinas Retter. Wu würde immer versuchen, sich selbst zu schützen, während Bao auch dann noch die Stellung hielt, wenn er selbst unterging.
    Ihr wurde allerdings klar, dass die beiden Männer in dieser Situation und angesichts der Umstände dennoch genau das Gleiche entscheiden würden.
    »Jeder einzelne Teufel in der Armee«, sagte Wu leise und rang vor Furcht die Hände. »Und wir sitzen fest wie Krabben in der Reuse. Wir benötigen so viele Männer, wie wir nur irgendwie heranziehen können.«
    »Ja«, stimmte Bao eifrig zu. »Wir brauchen beide Armeen. Wir können die Gegner hier aufhalten – wir können die Fabrik halten und die Teufel besiegen, aber das gelingt uns nur gemeinsam. Ihre Armee auf einer, meine auf der anderen Flanke. Wir können alles abfangen, was sie uns schicken, und auf direktem Weg zu ihnen zurücksenden.«
    »Unsere Luftabwehr ist zerstört«, wandte Wu ein, doch Bao fiel ihm sogleich ins Wort.
    »Unsere Männer sind unsere besten Waffen«, sagte er. »Die einzigen Waffen, die wir benötigen.«
    Ihre Männer sind ihre Waffen, dachte Heron und erfasste auf einen Blick den ganzen Plan. Die NADI -Strategen hatten sich bemüht, genau diese Situation zu schaffen und genau diese Reaktion zu erzwingen, um den Weg für den unvorstellbaren Angriff zu ebnen, der als Nächstes kommen musste. Der Fabrikkomplex war das wertvollste Objekt in der Stadt, und nun befanden sich die chinesischen Generäle hier. Binnen weniger Minuten würden auch ihre vereinigten Armeen eintreffen, die sich bislang fest in der Stadtlandschaft verschanzt hatten und kaum auszuschalten gewesen waren. Wenn die Soldaten aber nun ihre Verteidigungsstellungen verließen und zur Fabrik eilten, um sie um jeden Preis zu halten, waren die drei wichtigsten Aktivposten der Verteidiger an einem einzigen Ort versammelt. Ein Sieg der Partials an diesem Ort konnte die militärische Schlagkraft der Chinesen in der ganzen Region zerstören, und das war ein Sieg, für den es sich eine Menge zu opfern lohnte – sogar etwas so Wertvolles wie die Munitionsfabrik selbst. Nachdem Heron die Luftabwehrgeschütze zerstört hatte, konnten und würden die Partials den ganzen Komplex mit einem einzigen Luftschlag zerstören. Es war ein brillanter, vernichtender Plan.
    Dies funktionierte jedoch nur, wenn sich die Partialarmee innerhalb des Fabrikkomplexes befand. Ohne die Bedrohung durch eine überwältigende Streitmacht gab es für die Chinesen keinen Grund, eine so große Anzahl eigener Soldaten anzufordern. Wenn sich die Partials zurückzogen, würden sich auch die Chinesen zurückziehen. Dann würde der Luftschlag sie zwar empfindlich treffen, aber nicht vernichten. Die Partialarmee war ein Köder.
    Sie war ein Opfer.

Paragen BioSynth Aufzucht- und Ausbildungszentrum, unbekannter Ort
    12.   April 2059
    Heron lebte fast einen Monat lang bei den chinesischen Gefangenen. Sie aß mit ihnen, schlief in ihrer Baracke, redete, hörte zu und lernte alles, was sie nur lernen konnte. Die Gefangenen ahnten nichts davon und versorgten Heron mit unschätzbar wertvollen Informationen, die man ihr im Klassenzimmer unmöglich hätte beibringen können: regionalen Mundarten, Körpersprache, gemeinsamen Erfahrungen, die sie registrierte, verarbeitete und in ihre eigene Persönlichkeit aufnahm. In Zuoquan gab es schon seit Jahrhunderten jedes Jahr ein Laternenfest. Ihr Geschichtslehrer hatte ihr etwas über die Bedeutung, den Ursprung, den Ablauf, den Zeitpunkt und den Ort der Festlichkeiten beigebracht. Die Gefangenen hatten ihr etwas über Chens Nudelhaus und den Karren mit dem quietschenden Rad erzählt, den er jedes Jahr über die Gehwege schob. Sie hatten von Großmutter Mei und ihrem alten gelben Hund

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