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Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Titel: Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reiner Stach
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und der Ort dafür sorgfältig ausgesucht werden muss. Wie macht sie es also? Sie wählt z.B. einen Ort, der dunkel ist, der mir ferner ihre Anhänglichkeit beweist und ausserdem natürlich auch für sie Annehmlichkeiten hat. Von der Menschenseite aus gesehn ist dieser Ort zufällig das Innere meines Pantoffels. Also ein Missverständnis und solcher gibt es soviele als Nächte und Bedürfnisse) und die Möglichkeit des Bettsprungs, habe aber doch die Beruhigung, wenn es schlimm werden sollte, die Katze einlassen zu können. Diese letzten Nächte waren auch ruhig, wenigstens gab es keine ganz eindeutigen Mäuseanzeichen. Dem Schlaf nützt es allerdings nicht, wenn man einen Teil der Katzenaufgabe selbst übernimmt, mit gespitzten Ohren und Feueraugen aufrecht oder vorgebeugt im Bett horcht, aber so war es nur in der ersten Nacht, es wird schon besser.
Ich erinnere mich an die besonderen Fallen, von denen Du mir schon öfter erzählt hast; die sind aber wohl jetzt nicht zu haben, auch will ich sie eigentlich nicht. Fallen locken ja sogar noch an und rotten nur die Mäuse aus, die sie totschlagen. Katzen dagegen vertreiben die Mäuse schon durch die blosse Anwesenheit, vielleicht sogar schon durch die blossen Ablagerungen, weshalb auch diese nicht ganz zu verachten sind. Auffallend war es besonders in der ersten Katzennacht, welche auf die grosse Mäusenacht folgte. Es war zwar noch nicht ganz »mäuschenstill« aber keine lief mehr herum, die Katze sass, verdüstert wegen des ihr aufgezwungenen Lokalwechsels im Winkel beim Ofen und rührte sich nicht, aber es genügte, es war wie die Anwesenheit des Lehrers, nur noch geschwätzt wurde hie und da in den Löchern.
Du schreibst so wenig von Dir, ich räche mich mit den Mäusen.

57
    Mensch und Schwein
Auf dem Bild ist er [Varieté-Direktor Ignaz Rolf Wagner] entwaffnend, selbst das vor sich Ausspeien übernimmt er noch, wie seine Lippenstellung in Bild und Wirklichkeit zeigt; Sie deuten das scheinbare Lächeln falsch. Übrigens ist er nicht ganz und gar einzig, wie Sie zu glauben scheinen. Ich will ihn durch den Vergleich mit einem Schwein gar nicht beschimpfen, aber an Merkwürdigkeit, Entschiedenheit, Selbstvergessenheit, Süssigkeit und was noch zu seinem Amt gehört, steht er in der Weltordnung vielleicht doch mit dem Schwein in einer Reihe. Haben Sie schon ein Schwein in der Nähe so genau angesehn, wie Wagner? Es ist erstaunlich. Das Gesicht, ein Menschengesicht, bei dem die Unterlippe über das Kinn hinunter, die Oberlippe, unbeschadet der Augen- und Nasenlöcher bis zur Stirn hinaufgestülpt ist. Und mit diesem Maul-Gesicht wühlt das Schwein tatsächlich in der Erde. Das ist ja an sich selbstverständlich und das Schwein wäre merkwürdig, welches das nicht täte, aber Sie müssen das mir, der es jetzt öfters neben sich gesehn hat, glauben: noch merkwürdiger ist es, das es das tut. Man sollte doch meinen, um irgendeine Feststellung vorzunehmen, genüge es, wenn man das Fragliche mit dem Fuss betastet oder dazu riecht oder im Notfall es in der Nähe beschnuppert – nein, das alles genügt ihm nicht, vielmehr, das Schwein hält sich damit gar nicht auf, sondern fährt gleich und kräftig mit dem Maul hinein und ist es in etwas Ekelhaftes hineingefahren – rings um mich liegen die Ablagerungen meiner Freunde, der Ziegen und Gänse – schnaufts vor Glück. Und – das vor allem erinnert mich irgendwie an Wagner – das Schwein ist am Körper nicht schmutzig, es ist sogar nett (ohne dass allerdings diese Nettigkeit appetitlich wäre) es hat elegante, zart auftretende Füsse und beherrscht seinen Körper irgendwie aus einem einzigen Schwung heraus, – nur eben sein edelster Teil, das Maul, ist unrettbar schweinisch.
Sie sehen liebe Frau Elsa auch wir in Zürau haben unser »Lucerna« und ich wäre glücklich, wenn ich Ihnen zum Dank für das Wagnerbild einen Schinken unseres Schweinchens schicken könnte, aber erstens gehört’s mir nicht und zweitens nimmt es bei allem Wohlleben so langsam zu, dass es zu unserer (Ottlas und meiner) Freude noch lange nicht geschlachtet werden kann.

    Kafka schrieb diesen Brief an Elsa Brod, die Ehefrau von Max Brod, Anfang Oktober 1917. Er lebte zu dieser Zeit – zum Unverständnis all seiner Freunde – auf einem kleinen Bauernhof im nordwestböhmischen Dorf Zürau (Siřem), den seine Schwester Ottla mühsam bewirtschaftete.
    Elsa Brod hatte ihm in einem Brief sehr ausführlich von einem Abend im Prager Kabarett

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