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Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Titel: Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reiner Stach
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vielleicht weil sie mich für überflüssig hielten und kannten doch nicht einmal Ihre Briefe und meine Antworten.
    Die Passage stammt aus einem der ersten der zahlreichen Briefe, die Kafka aus Meran, wo er 1920 seine Tuberkulose zu kurieren versuchte, an seine in Wien lebende Übersetzerin Milena Jesenská schrieb. Ob sie die Episode kommentierte, ist nicht bekannt; ihre Antwortbriefe wurden entweder von Kafka vernichtet oder nach seinem Tod an die Adressatin zurückgegeben.

Meran, Passerpromenade

Illusionen
    60
    Wie Kafka und Brod beinahe zu Millionären wurden
    Während einer gemeinsamen Ferienreise über Lugano und Mailand nach Paris (August/September 1911) verfielen Kafka und Max Brod auf die Idee, einen neuen Typ von Reiseführern zu schaffen. »Er sollte ›Billig‹ heißen«, erinnerte sich Brod. »Franz war unermüdlich und hatte eine kindische Freude daran, die Prinzipien dieses Typs, der uns zu Millionären machen und vor allem der scheußlichen Amtsarbeit entreißen sollte, bis in alle Feinheiten auszubauen. Ich habe dann allen Ernstes mit Verlegern über unsere ›Reform der Reisehandbücher‹ Korrespondenz gepflogen. Die Verhandlungen scheiterten daran, daß wir das kostbare Geheimnis ohne einen Riesenvorschuß nicht preisgeben wollten.«
    Tatsächlich belegt ein Brief Kafkas an Brod, der fast ein Jahr später verfasst wurde, dass beide zu diesem Zeitpunkt noch immer an die Verwirklichung ihres Plans dachten. Nachdem Brod mit Ernst Rowohlt mündlich über verschiedene publizistische Projekte verhandelt und Kafka darüber berichtet hatte, monierte dieser: »vom Billig schreibst Du nichts.«
    Vermutlich in den ersten Septembertagen 1911 entwarfen Kafka und Brod in Lugano das folgende Memo, das auf Briefpapier des Hotels Belvédère au Lac und in der Handschrift Brods überliefert ist:
Unser Millionenplan ›Billig‹
Ein Millionenunternehmen.
 
Billig durch Italien, Billig durch die Schweiz, Billig in Paris – Billig durch die Böhmischen Kurorte und in Prag.
 
In alle Sprachen übersetzbar.
 
Motto: Nur Mut.
 
Unser demokratisches Zeitalter hat gewissermaßen unbemerkt alle Bedingungen für ein leichtes und allgemeines Reisen schon ausgebildet. Diese zu sammeln und systematisch bekannt zu machen ist unsere Aufgabe. – Bisher praktische Erkundigungen und praktische Ratschläge (Berliner Tageblatt) bei Freunden. Vereinzelt, zufällig, bald vergessen – das wenige sehr nützlich, wie sich jeder erinnern wird. In den Führern erstaunlich wenig hierüber. Ein schwacher Ansatz ist der * bei Bädeker und die Bemerkung »gelobt« – oft enttäuschend.
 
Was heißt »billig«. – Viele Nüancen. Wir grenzen ab gegen die Palasthotels und den protzigen unbeholfenen Mittelstand. – Auch nach unten. – Wir wenden uns an die, die das Reisen irrtümlich oder, weil schlecht beraten, für zu kostspielig halten und in den (an sich schönen, aber schon bekannten) Umgebungen der Heimatstädte bleiben. Wir wollen so billige Aufenthalte wie diese Sommerfrischen in der ganzen Welt nachweisen – eventuell auch noch die Reise einkalkulieren.
 
Auch jene, die eine Reise wagen und denen das Rechnen, Kalkulieren das Reisen verdirbt – und (pardon!) jene, die hineinfallen. – Das zufällige Hineinfallen ist bisher als ständiger Faktor zu rechnen gewesen, dem Lande oft zugeschrieben. Italien, Paris. So heben wir auch den Ruf der Länder. – Verständigung der Nationen.
 
Erzieherisches Moment der Energie für die ganze Person.
 
Betrogen werden nur schlecht orientierte Reisende.
 
Derselbe Genuß um weniger Geld. Consommation im Monico.
II
Exaktheit, Begrenztheit. Die Wahl soll erspart werden. – Eine Route zu 400, 500 Francs u.s.f.
 
Prinzip der Gesellschaftsreisen, aber solo. Vergleich mit Selbstunterrichtsbriefen.
 
Keine Gesammtgeographie, sondern Routen.
 
Wir nennen nur ein Hotel, falls dies besetzt in absteigender Reihenfolge andere.
 
Falls Tramway, nennen wir nicht die Droschke.
 
Wir empfehlen eine präzise Zeit zur Reise.
 
Ebenso einfach: Ärzte, …
 
[Das Folgende von Kafkas Hand:] Nicht rasch oder langsam Reisende, sondern eine bestimmte Mittelgruppe. Abweichungen sind leichter möglich, da immer an ein Praecises angeschlossen werden kann.
 
Genaue Trinkgelder.
 
[Wieder von Brods Hand:] Nicht pedantisch: wir raten z.B. zum Trinkgeld an Bademeister – Fernrohr auf dem Rigi –
 
Zu den Routen: nichts wiederholt sich. Nur eine Drahtseilbahn, aber die

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