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Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition)

Titel: Ist das Kafka?: 99 Fundstücke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reiner Stach
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ausgehend, von allen Korridoren genährt, die Treppe hinabspült und dort mit dem Gegenstrom kämpft der von unten hinaufschwillt. Aber nach einer Woche kam ein zweiter Aufruf.
Hausgenossen!
Es hat sich bisher niemand bei mir gemeldet. Ich war, soweit ich nicht meinen Lebensunterhalt verdienen muss, fortwährend zuhause und für die Zeit meiner Abwesenheit, während welcher meine Zimmertür stets offen war, lag auf meinem Tisch ein Blatt, auf dem sich jeder der wollte einschreiben konnte. Niemand hats getan.

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    Die besitzlose Arbeiterschaft
Pflichten: 1.) Kein Geld, keine Kostbarkeiten besitzen oder annehmen. Nur folgender Besitz ist erlaubt: einfachstes Kleid (im einzelnen festzusetzen), zur Arbeit Nötiges, Bücher, Lebensmittel für den eigenen Gebrauch. Alles andere gehört den Armen.
 
2.) Nur durch Arbeit den Lebensunterhalt erwerben. Vor keiner Arbeit sich scheuen, zu welcher die Kräfte ohne Schädigung der Gesundheit hinreichen. Entweder selbst die Arbeit wählen oder falls dies nicht möglich sich der Anordnung des Arbeitsrates fügen, welcher sich der Regierung unterstellt.
 
3.) Für keinen andern Lohn arbeiten als den Lebensunterhalt (im einzelnen nach den Gegenden festzusetzen) für zwei Tage
 
4.) Mässigstes Leben. Nur das unbedingt Notwendige essen, z.B. als Minimallöhnung, die in gewissem Sinn auch Maximallöhnung ist, Brot, Wasser, Datteln. Essen der Ärmsten, Lager der Ärmsten
 
5.) Das Verhältnis zum Arbeitgeber als Vertrauensverhältnis behandeln, niemals Vermittlung der Gerichte verlangen. Jede übernommene Arbeit zuendeführen unter allen Umständen, es wären denn schwere Gesundheitsrücksichten dem entgegen
 
Rechte 1.) Maximalarbeitszeit sechs Stunden, für körperliche Arbeit vier bis fünf
 
2.) Bei Krankheit und arbeitsunfähigem Alter Aufnahme in staatliche Altersheime und Krankenhäuser
 
Das Arbeitsleben als eine Angelegenheit des Gewissens und eine Angelegenheit des Glaubens an den Mitmenschen.
 
Mitgebrachten Besitz dem Staat schenken zur Errichtung von Krankenhäusern, Heimen.
 
Vorläufig wenigstens Ausschluss von Selbstständigen, Verheirateten und Frauen
 
Rat (schwere Pflicht) vermittelt mit der Regierung
 
Auch in kapitalistischen Betrieben, lieber Arme
 
dort wo man helfen kann, in verlassenen Gegenden, Armenhäusern
Lehrer
 
Fünfhundert Männer Höchstgrenze
 
Ein Probejahr
    Ob es einen unmittelbaren äußeren Anlass zu diesem im Frühjahr 1918 entstandenen sozialutopischen Entwurf gab, ist nicht bekannt. Zweifellos jedoch bezieht sich Kafka mit der Besitzlosen Arbeiterschaft (der Titel stammt von ihm selbst) auf die innerzionistischen Debatten über neue sozialökonomische Modelle bei der jüdischen Besiedelung Palästinas (siehe die Erwähnung von Datteln als Grundnahrungsmittel). Zur Frage von Arbeiter- und Siedlungsgenossenschaften erschienen in den Jahren 1917 und 1918 eine Fülle von Beiträgen, u.a. auch in Martin Bubers Zeitschrift Der Jude , die Kafka regelmäßig las.
    Zu dem bemerkenswerten Ausschluss von Frauen, den kein Zionist ernsthaft forderte, entschied sich Kafka offenbar spontan. Denn wie das Manuskript zeigt, dachte er zunächst nur an den Ausschluss von Selbständigen und Verheirateten, korrigierte sich jedoch noch während der Niederschrift dieser Worte.
    In der Kafka-Rezeption hat die politische Skizze kaum eine Rolle gespielt. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist André Breton, der im Dezember 1948 in Paris bei einer vom Rassemblement Démocratique Révolutionnaire organisierten Veranstaltung zum Thema ›Internationalisme de l’Esprit‹ auf Kafka verwies. In seinem Redemanuskript heißt es:
    »Franz Kafka, que nous sommes quelques-uns à tenir pour le plus grand voyant de ce siècle, souhaitait à la fin de sa vie l’existence de ›communautés ouvrières de non-possédants‹, réduites chacune à cinq cents hommes qui auraient accepté pour devoir de ne posséder ou accepter aucun argent ni objet de valeur, de mener la vie la plus simple, de ne travailler que pour un salaire assurant l’existence, à charge toutefois de mener ce travail à bien et de le rétablir, à la face du monde, comme acte de confiance et de foi en autrui. Ce qui est attendu ici de l’activité professionnelle en général, voila ce qu’il faudrait pouvoir exiger sans plus tarder de l’activité intellectuelle.«
    [»Franz Kafka, den einige von uns für den größten Seher dieses Jahrhunderts halten, wünschte am Ende seines Lebens, dass es

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