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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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Ammannati war eine geistvolle, wenn auch nicht eben liebenswürdige Frau, die Dummheit nicht ausstehen konnte. Im Jahr 1581 folgte Galilei dem Rat seines Vaters und schrieb sich an der Universität Pisa ein, um Medizin zu studieren. Sein Interesse an diesem Fach begann jedoch fast vom ersten Tag an zugunsten der Mathematik zu erlahmen. Folglich überredete Galilei den Mathematiker am Hof des toskanischen Großherzogs, Ostilio Ricci (1540–1603), sich während der Sommerpause 1583 mit seinem Vater zu treffen und diesen davon zu überzeugen, dass er, Galilei, dazu berufen sei, Mathematiker zu werden. Die Frage war rasch geklärt, der leidenschaftliche junge Mann war von den Arbeiten des Archimedes zutiefst bezaubert und befand, es müsse allen so gehen, «welche in den nachgelassenen Schriften dieses göttlichen Mannes über die scharfsinnigen Erfindungen gelesen und sie sich zu eigen gemacht haben, denn aus selbigen geht nur zudeutlich hervor, wie sehr alle anderen Geister unter dem des Archimedes stehen und wie wenig Hoffnung sie hegen dürfen, jemals Dinge zu finden, die den seinen gleichkommen». Galilei konnte seinerzeit nicht wissen, dass er selbst einer der wenigen war, deren Geist dem des griechischen Meisters in nichts nachstand. Angeregt durch die legendäre Anekdote um Aristoteles und den Betrug um die Goldkrone König Hierons, veröffentlichte Galilei 1586 eine kleine Schrift mit dem Titel
La Bilancetta
(«Die Waage») über eine von ihm erfundene hydrostatische Waage. In einer literarischen Vorlesung vor der Accademia Fiorentina, in der er ein eher ungewöhnliches Thema behandelte – die Lage und Größe der Hölle in Dantes Versepos
Die Göttliche Komödie –,
erwies er Archimedes später erneut seine Reverenz.

    Abbildung 16
    Im Jahr 1589 wurde Galilei auf den Lehrstuhl für Mathematik an der Universität Pisa berufen, unter anderem auf die nachdrückliche Empfehlung von Christophorus Clavius (1538–1612), einem renommierten Mathematiker und Astronomen aus Rom, den Galilei 1587 besucht hatte. Die nächsten drei Jahre verbrachte Galilei damit, seine ersten Gedanken zu einer Theorie der Bewegung voranzubringen. Diese Schriften, die eindeutig durch Archimedes’ Werke inspiriert sind, enthalten eine faszinierende Mischung aus bestechenden Ideen und völlig falschen Behauptungen. So stellt Galilei beispielsweise gleich neben die bahnbrechende Erkenntnis, dass man Theorien über fallende Körper mit Hilfe einer schiefen Ebene zur Verlangsamung der Fallbewegung überprüfen könne, die falsche Aussage, dass sich ein Holzkörper, den man von einem Turm herunterfallen lässt, zu Beginn des Falls rascher bewege als ein Bleikörper. Galileis Motive und die Art und Weise, wie er gedacht hat, sind von seinem ersten Biographen Vincenzo Viviani (1622–1703) in mancher Hinsicht fehlinterpretiert worden. Viviani schuf das populäre Image eines akribischen, nüchtern-unnachgiebigen Experimentators, der neue Einsichten ausschließlich aus der peinlich genauen Beobachtung von Naturphänomenen gewann. Tatsächlich waren Galileis Orientierung und sein methodisches Vorgehen in erster Linie mathematisch ausgerichtet. Er stützte sich vor allem auf Gedankenexperimente und auf die archimedische Art der Beschreibung der Welt mit Hilfe geometrischer Formen, die mathematischen Gesetzen gehorchten. Seine Hauptkritik anAristoteles bestand zu jener Zeit darin, dass Letzterer «nicht nur unwissend in Bezug auf die tiefgreifenden und schwerer verständlichen Entdeckungen der Geometrie, sondern selbst im Hinblick auf die elementarsten Prinzipien dieser Wissenschaft war». Galilei war überdies der Ansicht, Aristoteles verlasse sich zu sehr auf Sinneseindrücke, denn diese «erwecken auf den ersten Blick den Anschein von Wahrheit». Vielmehr riet Galilei, «zu jeder Zeit eher Schlussfolgerungen zu bemühen anstelle von Beispielen (denn wir suchen die Ursachen von Wirkungen, und diese sind der Erfahrung nicht zugänglich)».
    Galileis Vater verstarb 1591, und das veranlasste den jungen Mann, der nun seine Familie zu ernähren hatte, eine Anstellung in Padua anzunehmen, wo man sein Gehalt verdreifachte. Die nächsten achtzehn Jahre sollten sich als die glücklichsten in seinem Leben erweisen. In Padua begann auch seine lebenslange Beziehung zu Marina Gamba, die er nie heiratete, mit der er aber drei Kinder hatte – Virginia, Livia und Vincenzio.
    Am 4. August 1597 schrieb Galilei einen persönlichen Brief an den großen

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