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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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Astronomen Johannes Kepler, in dem er gestand, schon seit langem «Kopernikaner» zu sein, wobei er nicht hinzuzufügen vergaß, dass das heliozentrische kopernikanische Modell den Weg weise, eine Reihe von Naturphänomenen zu erklären, die durch ein geozentrisches Weltbild nicht zu erklären seien. Er beklagte darin jedoch auch die Tatsache, dass Kopernikus «offenbar verlacht und von der Bühne gezischt werde». Dieser Brief markiert die Ausweitung des folgenschweren Bruchs zwischen Galilei und der aristotelischen Kosmologie. Die moderne Astrophysik begann allmählich Gestalt anzunehmen.
Der Sternenbote
    Am Abend des 9. Oktober 1604 staunten die Astronomen in Verona, Rom und Padua nicht schlecht, als sie plötzlich einen neuen Stern erblickten, der rasch an Helligkeit zunahm und bald heller strahlte als alle anderen Sterne am Himmel. Der Meteorologe Jan Brunowski, Kaiserlicher Beamter in Prag, beobachtete ihn am 10. Oktober ebenfalls und setzte in seiner Erregung auf der Stelle Kepler davon inKenntnis. Wolken verhinderten bis zum 17. Oktober, dass Kepler den Stern selbst zu sehen bekam, doch als er mit der Beobachtung begonnen hatte, protokollierte er fast ein ganzes Jahr lang penibel, was er sah, und veröffentlichte 1606 schließlich ein Buch über den «neuen Stern». Heute wissen wir, dass das himmlische Spektakel von 1604 nicht von der Geburt eines neuen Sterns kündete, sondern vielmehr vom Explosionstod eines alten. Dieses Ereignis, auch
Keplers Supernova
oder
Keplers Stern
genannt, sorgte in Padua für ziemliches Aufsehen. Galilei konnte den Stern Ende Oktober 1604 mit eigenen Augen beobachten und hielt im darauffolgenden Dezember und Januar vor einem großen Auditorium drei öffentliche Vorlesungen zu diesem Thema. Getreu seiner Devise, dass Wissen mehr wiegt als Aberglauben, zeigte Galilei, dass der neue Stern, weil sich bei ihm keine Verschiebung gegen den Fixsternhimmel nachweisen ließ, jenseits der Mondregion lokalisiert sein musste. Diese Beobachtung war von beispielloser Bedeutung. Laut der aristotelischen Lehre spielten sich Veränderungen am Firmament nur diesseits der der Erde zugewandten Seite des Mondes ab, wohingegen die sehr viel weiter entfernte Sphäre der Fixsterne unverletzlich und gegen jede Veränderung immun sein sollte.
    Das Bild von einer unveränderlichen Fixsternsphäre hatte bereits im Jahre 1572 erste Risse bekommen; damals hatte der dänische Astronom Tycho Brahe (1546–1601) ebenfalls eine Sternenexplosion beobachtet, die als
Tychos Supernova
in die Geschichte eingehen sollte. Das Ereignis von 1604 schlug einen weiteren Nagel in den Sarg der aristotelischen Weltlehre. Der wahre Durchbruch für das Verständnis vom Universum ergab sich jedoch nicht anhand theoretischer Spekulationen oder von Beobachtungen mit dem bloßen Auge. Er war das Ergebnis einfacher Experimente mit konvexen (nach außen gewölbten) und konkaven (nach innen gewölbten) Glasspiegeln – ordnet man eine konvexe Sammellinse und eine konkave Zerstreuungslinse in einem Abstand von etwa dreißig Zentimetern hintereinander an, schon erscheinen weit entfernte Objekte ganz nahe. Im Jahr 1608 begannen solche Ferngläser in ganz Europa Furore zu machen, und ein niederländischer sowie zwei flämische Brillenmacher beantragten gar Patente darauf. Die Kunde von diesen wundersamen Geräten drangbis zu dem venezianischen Theologen Paolo Sarpi, der Galilei im Mai 1609 davon in Kenntnis setzte. Um herauszubekommen, ob an der Sache wirklich etwas dran war, schrieb Sarpi auch an seinen Freund Jacques Badovere in Paris. Nach eigenen Aussagen verzehrte sich Galilei geradezu vor Verlangen nach einem solch wunderbaren Gegenstand. Er beschrieb diese Ereignisse später in seinem im März 1610 erschienenen Buch
Sidereus Nuncius
(«Der Sternenbote»/«Nachricht von neuen Sternen»):
    Vor ungefähr zehn Monaten kam uns ein Gerücht zu Ohren, von einem Mann aus Flandern sei ein Sehglas konstruiert worden, mit dessen Hilfe man sichtbare Gegenstände, auch wenn sie ziemlich weit vom Auge des Betrachters entfernt sind, so klar sehe, als seien sie in der Nähe; und es wurde über einige Proben seiner wahrhaft wunderbaren Wirkung berichtet, an die die einen glaubten und die anderen nicht. Dasselbe wurde mir einige Tage später in einem Brief von dem französischen Edelmann Jacques Badouère aus Paris bestätigt; das war schließlich der Anlaß, daß ich mich ganz dem Erforschen der Grundlagen und dem Ersinnen der Mittel

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