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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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zuwandte, durch die ich zur Erfindung eines ähnlichen Instruments gelangen könnte, welche mir wenig später, auf die Lehre von der Strahlenbrechung gestützt, gelang.
    Galilei lässt hier dieselbe Art von praktisch kreativem Denken erkennen, die auch für Archimedes typisch war – sobald er wusste, dass ein Fernrohr gebaut werden konnte, dauerte es nicht lange, bis er herausgefunden hatte, wie er dies anstellen musste. Nicht genug damit, setzte Galilei zwischen August 1609 und März 1610 seinen Erfindergeist obendrein dazu ein, sein Teleskop aus einem Gerät, das entfernte Objekte achtfach vergrößerte, zu einem zu machen, das es auf zwanzigfache Vergrößerung brachte. Das allein war bereits eine beträchtliche technische Leistung, aber Galileis Größe sollte sich nicht nur an seinem praktischen Knowhow zeigen, sondern auch in dem Nutzen, den er aus diesem verbesserten Sehglas (dem er den Namen
perspicillum
gab) zu ziehen verstand. Denn statt von den Gestaden Venedigs aus Schiffe in der Ferne auszuspähen oder die Dächer von Padua unter die Lupe zu nehmen, richtete Galilei sein Fernrohr gen Himmel. Was nunfolgte, sucht in der Geschichte der Wissenschaft seinesgleichen. Wie der Wissenschaftshistoriker Noel Swerdlow es ausdrückt: «Binnen etwa zwei Monaten, Dezember und Januar [1609 bzw. 1610], entdeckte er mehr Dinge, die die Welt verändern sollten, als je ein Mensch vorher oder seither.» Ja, das Jahr 2009 wurde deshalb zum Internationalen Jahr der Astronomie ausgerufen, weil es das vierhundertste seit den ersten Beobachtungen Galileis war. Was hat Galilei also vollbracht, um ein derart überlebensgroßer wissenschaftlicher Held zu werden? Hier ein paar seiner außerordentlichen Taten:
    Er richtete sein Fernrohr auf den Mond, wobei er vor allem die Tag-Nacht-Grenze (auch Terminator genannt) – die Grenzlinie zwischen dem beleuchteten und dem unbeleuchteten Teil der Mondoberfläche – ins Visier nahm und feststellte, dass der Mond ihrem Verlauf nach eine zerklüftete Oberfläche mit Bergen, Kratern und weiten Ebenen haben müsse. Er beobachtete, wie Lichtpünktchen auf der in Dunkelheit gehüllten Hälfte erschienen und sich allmählich vergrößerten und ausbreiteten, genau wie Sonnenlicht, das im Aufgehen allmählich ein Gebirge bescheint. Er versuchte sogar, mittels der Geometrie der Lichtausbreitung die Höhe eines Berges zu errechnen, und kam auf über 6000 Meter. Das war aber noch nicht alles. Galilei entdeckte, dass die (während der Halbmondphase) vermeintlich dunkle Hälfte des Mondes ebenfalls schwach erhellt ist, und schlussfolgerte, dass dies auf von der Erde reflektiertes Sonnenlicht zurückzuführen sein müsse. So wie der Vollmond die Erde erleuchte, erklärte Galilei, wird auch die Mondoberfläche von Licht bestrahlt, das von der Erde reflektiert wird.
    Wenn auch einige dieser Entdeckungen nicht völlig neu waren, so vermochten Galileis Belege doch dank ihrer Überzeugungskraft die Diskussion auf eine komplett neue Ebene zu heben. Bis zu Galileis Zeiten hatte es eine klare Trennung zwischen dem, was der Erde verhaftet war, und den Vorgängen am Firmament, dem Irdischen und dem Himmlischen, gegeben. Diese Unterscheidung war jedoch nicht auf die wissenschaftliche oder philosophische Ebene beschränkt geblieben. Um die vermeintliche Unvereinbarkeit von Himmel und Erde war ein reiches Gewirk aus Mythologie und Religion, romantischer Dichtung und ästhetischer Sensibilität gewoben worden. Und nun behauptete Galileietwas, das vollständig unbegreiflich scheinen musste. Gegen alle aristotelische Doktrin stellte Galilei die Erde und einen Himmelskörper (den Mond) auf ein und dieselbe Ebene – beide hatte eine feste, zerklüftete Oberfläche, und beide reflektierten Licht von der Sonne.
    Jenseits des Mondes begann Galilei die Planeten zu erkunden – jene «Wanderer am Nachthimmel» oder «Wandelsterne», wie sie die Griechen nannten. Als er sein Fernrohr am 7. Januar 1610 auf den Jupiter richtete, entdeckte er voller Erstaunen drei neue Sterne, die in gerader Linie – zwei im Osten, einer im Westen – vor dem Planeten entlangzuziehen schienen. In den folgenden Nächten schienen die neuen Sterne ihre Position relativ zu Jupiter verändert zu haben. Am 13. Januar beobachtete er einen vierten Stern dieser Art. Binnen einer Woche ab der Erstbeobachtung gelangte Galilei zu einer frappierenden Schlussfolgerung – die neuen Sterne konnten nichts anderes sein als Satelliten, Monde, die –

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