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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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genau wie der Mond die Erde – den Jupiter umkreisten.
    Eine einzigartige Eigenschaft derjenigen Menschen, die die Geschichte der Wissenschaft maßgeblich mit beeinflusst haben, war ihre Fähigkeit, sofort zu erkennen, welche Entdeckungen wahrhaft einen Fortschritt bedeuten würden und welche nicht. Ein weiteres Attribut vieler einflussreicher Wissenschaftler war ihr Talent, ihre Entdeckungen anderen Menschen verständlich zu machen. Galilei war ein Meister auf beiden Gebieten. In Sorge, dass noch jemand anderer auf die Jupitermonde aufmerksam werden konnte, beeilte sich Galilei mit der Veröffentlichung seiner Ergebnisse, und im Frühjahr 1610 erschien in Venedig besagte Abhandlung
Sidereus Nuncius.
Zu jener Zeit seines Lebens von großem politischem Scharfsinn, widmete Galilei das Buch dem Großherzog der Toskana, Cosimo II. de’ Medici, und nannte seine Neuentdeckungen selbst
Sidera Medicea –
die «Mediceischen Gestirne». Zwei Jahre später war Galilei dank einer wahren Sisyphusarbeit imstande, die Orbitalperioden – die Umlaufzeiten, die jeder der vier Satelliten benötigte, um den Jupiter zu umrunden – auf wenige Minuten genau zu bestimmen. Der
Sidereus Nuncius
wurde auf der Stelle zum Bestseller – die erste Auflage von fünfhundert Exemplaren war binnen kürzester Zeit ausverkauft – und machte Galilei auf dem gesamten Kontinent berühmt.
    Wie wichtig die Entdeckung der Jupitermonde war, kann man nicht genug betonen. Nicht nur, dass es sich bei ihnen um die ersten Himmelskörper handelte, die seit den Beobachtungen der Griechen zum Sonnensystem hinzukamen, nein, die bloße Existenz dieser Satelliten beseitigte mit einem Schlag einen der größten Einwände gegen die kopernikanische Lehre. Die Aristoteliker vertraten die Ansicht, es sei unmöglich, dass die Erde die Sonne umkreise, weil die Erde ja den Mond habe, der sie umrundet. Wie sollte das Universum über zwei Rotationszentren – Sonne und Erde – verfügen? Galileis Beobachtungen zeigten zweifelsfrei, dass ein Planet über Satelliten verfügen kann, die ihn umkreisen, während er selbst seine eigene Umlaufbahn um die Sonne beschreibt.
    Eine weitere wichtige Entdeckung Galileis war die genaue Beschreibung der Venusphasen im Jahr 1610. Der geozentrischen Lehre zufolge bewegte sich Venus auf einer Umlaufbahn um die Erde in einem kleinen Kreis (einem Epizykel). Das Zentrum des Epizykels sollte stets auf einer Linie liegen, die Erd- und Sonnenmittelpunkt miteinander verband (vergleiche die – nicht maßstabsgerechte – Abbildung 17a). In diesem Falle würde man bei Beobachtungen von der Erde aus die Venus fast immer als Halbmond von unterschiedlicher Stärke sehen. Nach dem kopernikanischen System hingegen sollte sich das Aussehen der Venus von einer kleinen, komplett hellen Scheibe – wenn der Planet sich, von der Erde aus gesehen, auf der anderen Seite der Sonne befindet – in eine große und fast schwarze Scheibe verwandeln – wenn die Venus auf derselben Sonnenseite, zwischen Erde und Sonne, steht (Abbildung 17b). Zwischen diesen beiden Positionen müsste die Venus ähnlich wie der Mond eine ganze Reihe von Zwischenphasen durchlaufen. Galilei tauschte sich brieflich mit seinem einstigen Schüler Benedetto Castelli (1578–1643) über die Vorhersagen der beiden Lehrmeinungen aus, die entscheidenden Beobachtungen dazu unternahm er im Oktober und Dezember 1610. Das Urteil war eindeutig. Die Beobachtungen bestätigten zweifelsfrei die kopernikanische Position und bewiesen, dass die Venus in der Tat die Sonne umkreist. Am 11. Dezember sandte ein verspielt-verschmitzter Galilei Johannes Kepler das rätselhafte Anagramm
«Haec immatura a me iam frustra leguntur oy»
(«Zu früh wurde dieses von mir vergeblichgepredigt»). Kepler versuchte erfolglos die verborgene Botschaft zu entziffern, und gab es schließlich auf. In seinem nächsten Brief vom 1. Januar 1611 setzte Galilei die Buchstaben des Anagramms in die richtige Reihenfolge, das nun lautete:
«Cynthiae figuras aemulatur mater amorum»
(«Cynthias [des Mondes] Schatten eifert die Mutter der Liebe [Venus] nach»).

    Abbildung 17
    Die Beobachtungen, die ich bislang zitiert habe, betrafen sämtlich entweder Planeten im Sonnensystem (Himmelskörper, die dieSonne umrunden und deren Licht reflektieren) oder Monde (Satelliten, die diese Planeten umrunden). Galilei gelangen jedoch auch zweiüberaus wichtige Entdeckungen in Bezug auf Sterne – Himmelskörper wie der Sonne, die selbst Licht

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