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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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sogewonnenen Einsichten und Erkenntnisse etwas Göttliches. Die Reaktion der Kirche war prompt und unmissverständlich. Die Verbreitung des
Dialogo
wurde bereits im August nach seiner Veröffentlichung verboten. Im darauffolgenden Monat wurde Galilei nach Rom beordert, um sich dort gegen die Anklage der Häresie zu verteidigen. Am 12. April 1633 wurde ihm der Prozess gemacht, und am 22. Juni befand man ihn «der Ketzerei dringend verdächtig». Die Richter legten Galilei zur Last, er habe «die falsche und den Heiligen und göttlichen Schriften widersprechende Lehre für gültig gehalten und geglaubt, wonach die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei und sich nicht von Osten nach Westen bewege und die Erde sich bewege und nicht der Mittelpunkt der Welt sei». Die Strafe war hart:

    Abbildung 20
    Wir verurteilen dich zu förmlichem Kerker in diesem Heiligen Offizium nach unserem Ermessen; und als heilsame Buße legen wir dirauf, in den kommenden drei Jahren einmal in der Woche die sieben Bußpsalmen zu sprechen: und wir behalten uns vor, die obengenannten Strafen und Bußen zu mildern, zu ändern, sie gänzlich oder teilweise aufzuheben.
    Der müde gewordene Galilei vermochte mit seinen zweiundsiebzig Jahren dem Druck nicht standzuhalten. Gebrochen im Geiste, schrieb Galilei seine Widerrufung, in der er sich verpflichtete, «gänzlich von der falschen Meinung abzulassen, daß die Sonne der Mittelpunkt der Welt sei und stillstehe, und daß die Erde nicht der Mittelpunkt sei und sich bewege». Er schloss:
    Deshalb, da ich aus dem Geiste Eurer Eminenzen und eines jeglichen getreuen Christen diesen heftigen Verdacht, der rechtens auf mich fällt, tilgen will, schwöre ich aufrichtigen Herzens und ungeheuchelten Glaubens ab, verfluche und verabscheue die obengenannten Irrtümer und Ketzereien und überhaupt jeglichen und jedweden anderen Irrtum, jede Ketzerei und Sektiererei wider die Heilige Kirche; und ich schwöre, daß ich künftig niemals wieder, in Wort oder Schrift, Dinge sagen werden, für welche ähnlicher Verdacht gegen mich erschöpft werden könnte.
    Galileis letztes Buch
Discorsi e dimonstrazioni mathematiche intorno a due nuove scienze attenenti alla mecanica e I movimenti locali
(«Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mathematik und die Fallgesetze betreffend») wurde im Juli 1638 veröffentlicht. Das Manuskript war aus Italien hinausgeschmuggelt und im niederländischen Leiden gedruckt worden. Der Inhalt des Buches lässt sich wahrheitsgetreu und prägnant mit den legendären Worten wiedergeben:
«Eppur si muove»
(«Und sie bewegt sich doch»). Diese trotzige Floskel, die Galilei zum Ende des Prozesses gerne in den Mund gelegt wird, ist so vermutlich nie geäußert worden.
    Am 31. Oktober 1992 beschloss die katholische Kirche endlich, Galilei zu «rehabilitieren». In Anerkennung dessen, dass Galilei auf ganzer Linie recht gehabt hatte, aber in vorsichtigem Bemühen, die Inquisition nicht direkt zu kritisieren, fand Papst Johannes Paul II. die Worte:
    Merkwürdigerweise zeigte sich Galilei als aufrichtig Glaubender in diesem Punkte weitsichtiger als seine theologischen Gegner … Die Mehrheit der Theologen vermochte nicht formell zwischen der Heiligen Schrift und ihrer Deutung zu unterscheiden, und das ließ sie eine Frage der wissenschaftlichen Forschung unberechtigterweise auf die Ebene der Glaubenslehre übertragen.
    Für Zeitungen rund um die Welt war das ein gefundenes Fressen. Die
Los Angeles Times
erklärte: «Es ist amtlich: Die Erde dreht sich um die Sonne, sogar für den Vatikan.»
    So manch einer fand die Sache weit weniger amüsant. Der spanische Galilei-Forscher Antonio Beltrán Marí erklärte:
    Die Tatsache, dass der Papst sich weiterhin für eine Autorität hält, die imstande ist, etwas Relevantes zu Galilei und dessen Wissenschaft zu äußern, zeigt, dass sich auf Seiten des Papstes nichts geändert hat. Er benimmt sich jeder Zoll genauso wie Galileis Richter, deren Fehler er nunmehr einräumt.
    Der Fairness halber sei gesagt, dass der Papst in dieser Situation nur verlieren konnte. Jede Entscheidung seinerseits – das Thema zu ignorieren und Galileis Verdammung auf sich beruhen zu lassen oder aber, wie geschehen, den Fehler der Kirche endlich einzugestehen – hätte dieselbe harsche Kritik hervorgerufen. Gleichwohl ist es zu einer Zeit, da sich die Versuche mehren, den biblischen Kreationismus als alternative «wissenschaftliche»

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