Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
Vom Netzwerk:
Gott ist in der Tat ein Mathematiker.
    Das gesamte Spektrum der in Galileis Schriften geäußerten Ideen zeichnet ein noch viel genaueres Bild von seinem Mathematikverständnis. Als Erstes müssen wir uns klarmachen, dass für Galilei Mathematik letztlich gleichbedeutend war mit Geometrie. Er scherte sich nur selten darum, Werte in absoluten Zahlen zu messen, und beschrieb Phänomene hauptsächlich in relativen Begriffen, das heißt über Proportionen zwischen einzelnen Größen. Auch darin war Galilei ein treuer Schüler des Archimedes, dessen Prinzip der Hebelwirkung und der vergleichenden Geometrie er höchst effizient anzuwenden verstand. Ein zweiter interessanter Aspekt, der sich vor allem an Galileis letztem Buch zeigt, ist die Unterscheidung, die er zwischen den Aufgaben der Geometrie und denen der Logik – dem aristotelischen Schlussverfahren – trifft. Das Buch selbst,
Discorsi e dimonstrazioni mathematiche intorno a due nuove scienze attenenti alla mecanica e I movimenti locali
(«Unterredungen und mathematische Demonstrationen über zwei neue Wissenszweige, die Mathematik und die Fallgesetze betreffend») ist der Form nach eine lebhafte Diskussion zwischen drei Gesprächspartnern: Salviati, Sagredo und Simplicio, deren Rollen jeweils recht deutlich umrissen sind. Salviati ist im Grunde das Alter Ego Galileis. Sagredo, der Aristokrat und Philosophieliebhaber, ist ein Mann, dessen Geist sich bereits von den Fesseln aristotelischer Alltagsphilosophie befreit hat und der sich deshalb von den Stärken der neuen mathematischen Wissenschaft überzeugen lassen kann. Simplicio, der in einem früheren Diskurs Galileis als jemand gezeichnet war, der komplett unter dem Bann aristotelischer Autorität stand, tritt hier als eher aufgeschlossener Gelehrter auf. Am zweiten Tag des Diskurses kommt es zu einem interessanten Austausch zwischen Sagredo und Simplicio:
    Was sollen wir hierzu sagen, Herr Simplicio? Ist nicht die Geometrie das mächtigste Werkzeug zur Schärfung des Verstandes, das uns zu jeglicher Untersuchung befähigt? Wie hatte doch Plato recht, wenn er vor allem anderen seine Schüler gründlich in der Mathematik unterrichtete?
    Simplicio scheint dem zuzustimmen und führt den Vergleich mit der Logik an:
    Wahrlich, ich fange an zu begreifen, dass die Logik, obwohl sie ein ausserordentliches Hülfsmittel der Dialektik ist, uns doch nicht zur Erfindung bringt und zur Denkschärfe der Geometrie.
    Sagredo vertieft diese Unterscheidung:
    Mir scheint, die Logik lehrt uns erkennen, ob bereits angestellte Untersuchungen urtheilskräftig seien, aber dass sie den Gang derselben bestimme und die Beweise finden lehre, das glaube ich nicht.
    Galileis Botschaft hier ist einfach und geradlinig: Er glaubte, dass Geometrie das Instrument ist, neue Wahrheiten zu
entdecken,
Logik hingegen das Mittel, bereits gemachte Entdeckungen
zu bewerten und zu kritisieren.
In Kapitel 7 werden wir eine andere Perspektive betrachten, der zufolge sich die gesamte Mathematik der Logik verdankt.
    Wie ist Galilei zu der Vorstellung gekommen, dass die Mathematik die Sprache der Natur sei? Eine philosophische Schlussfolgerung von solcher Tragweite wird ja schließlich nicht vom Himmel gefallen sein. Tatsächlich lassen sich die Wurzeln dieser Idee bis weit zu den Schriften des Archimedes zurückverfolgen. Der griechische Meister war der Erste gewesen, der sich zur Erklärung natürlicher Phänomene der Mathematik bedient hatte. Von seinen Werken hatte ein dornenreicher Weg über verschiedene Gelehrte des Mittelalters und etliche italienische Hofmathematiker schließlich dahin geführt, dass die Natur der Mathematik einen diskussionswürdigen Status erlangte. Schließlich und endlich erkannten auch einige der jesuitischen Mathematiker zu Galileis Zeiten, hier insbesondere Christopher Clavius, die Tatsache an, dass der Mathematik möglicherweise eine Art Vermittlerrolle zwischen der Metaphysik – den philosophischen Prinzipien der Natur des Daseins – und der physikalischen Realität zukomme. Im Vorwort («Prolegomena») seines Kommentars zu den
Elementen
des Euklid schrieb Clavius:
    Da die mathematischen Fächer von Dingen handeln, von denen man glaubt, dass sie nichts mit einem sinnlich erfahrbaren Stoff zu tun haben – obwohl sie [die Dinge] in Wahrheit dem Stoff eingesenktsind –, ist es offensichtlich, dass sie [die mathematischen Fächer] zwischen der Metaphysik und der Naturwissenschaft den mittleren Ort einnehmen …
    Galilei war mit

Weitere Kostenlose Bücher