Ist Gott ein Mathematiker
Theorie (unter dem fadenscheinigen Deckmäntelchen «intelligentes Design») zu etablieren, tröstlich zu wissen, dass Galilei diese Schlacht bereits vor vierhundert Jahren geschlagen – und gewonnen! – hat.
Kapitel 4
MAGIER: DER SKEPTIKER UND DER RIESE
In einer der sieben Episoden des Films
Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten
spielt Woody Allen einen mittelalterlichen Hofnarren, der für seinen König und dessen Hof hinreißend komische Alltagssituationen zu bewältigen hat. Der Hofnarr beschließt irgendwann, mit der Königin zu schlafen, und verabreicht ihr in der Hoffnung, sie verführen zu können, ein Aphrodisiakum. Die Königin zeigt sich daraufhin dem Hofnarren nicht abgeneigt, aber da ist, verflixt noch mal, dieses große Schloss an ihrem Keuschheitsgürtel. In dieser frustrierenden Situation mit der Königin allein in deren Schlafzimmer, stammelt der Hofnarr nervös: «Ich muss mir unbedingt was einfallen lassen, bevor die Renaissance anbricht und wir alle anfangen zu malen.»
Scherz beiseite, diese Übertreibung ist eine treffende Beschreibung der Ereignisse im Europa des 15. und 16. Jahrhunderts. Die Renaissance hat in der Tat eine solche Fülle an Meisterwerken der Malerei, Bildhauerei und Architektur hervorgebracht, dass diese außerordentlichen Kunstwerke bis auf den heutigen Tag ein prägender Teil unserer Kultur geblieben sind. Der Wissenschaft schenkte die Renaissance die Durchsetzung des heliozentrischen Weltbilds unter Federführung von Kopernikus, Kepler und vor allem von Galilei. Die durch Galileis Beobachtungen mit dem Fernrohr möglich gewordene neue Sicht auf das Universum und die Einsichten, die sich aus seinen Experimenten in der Mechanik ergaben, haben möglicherweise mehr als alles andere die mathematischen Entwicklungen des folgenden Jahrhunderts inspiriert. Parallel zu ersten Anzeichen für ein Zerfallen der aristotelischen Lehre und verstärkten Angriffen auf die theologischeIdeologie der Kirche begannen die Philosophen nach einem neuen Fundament zu suchen, auf das sich das Wissen des Menschen würde gründen lassen. Die Mathematik mit ihrem allem Anschein nach sicheren Schatz an Wahrheiten lieferte offenbar die solideste Grundlage für einen solchen Neuanfang.
Der Mann, der sich der einigermaßen ehrgeizigen Aufgabe verschrieben hatte, eine Formel zu entdecken, die alles rationale Denken irgendwie in systematische Bahnen lenken sowie Wissen, Wissenschaft und Ethik zusammenführen würde, war ein junger Offizier aus dem französischen Kleinadel namens René Descartes.
Ein Träumer
Viele Leute betrachten Descartes (Abbildung 21) nicht nur als den ersten großen modernen Philosophen, sondern auch als den ersten modernen Biologen. Addieren Sie zu diesen beeindruckenden Referenzen noch die Tatsache, dass der englische Philosoph John Stuart Mills (1806–1873) eine von Descartes’ spektakulärsten Leistungen auf dem Gebiet der Mathematik den «größte[n] Schritt, der in der Entwicklung der exakten Wissenschaft je getan worden ist», nennt, beginnen Sie die ungeheure Geistesgröße von Descartes zu erfassen.
René Descartes wurde am 31. März 1596 im französischen La Haye geboren. Zu Ehren ihres meistgefeierten Einwohners wurde die Stadt im Jahr 1801 in La Haye-Descartes umbenannt, seit 1967 kennt man sie hauptsächlich als Descartes. Im Alter von acht Jahren trat Descartes in das Jesuitenkolleg La Flèche ein, wo er bis 1612 Latein, Mathematik, Naturwissenschaften und scholastische Philosophie studierte. Aufgrund seiner fragilen Gesundheit wurde Descartes das erbarmungslos frühe Aufstehen um fünf Uhr morgens erlassen, und er durfte die Morgenstunden im Bett verbringen. In seinem späteren Leben nutzte er diese frühen Stunden weiterhin zur inneren Einkehr; dem französischen Mathematiker Blaise Pascal gegenüber erklärte er, die einzige Art, wie er gesund und produktiv bleibe, bestehe darin, niemals aufzustehen, bevor er sich nicht dazu imstande fühle. Wie wir noch sehen werden, waren diese Worte für sein Schicksal von tragischer Prophetie.
Abbildung 21
Nach seiner Zeit in La Flèche absolvierte Descartes die Universität Poitiers mit einem Abschluss in Rechtswissenschaften, hat diese jedoch nie praktiziert. Ruhelos und begierig, die Welt zu erkunden, beschloss er, in die Armee des Fürsten Moritz von Oranien einzutreten, der zu jener Zeit im niederländischen Breda stationiert war. Eine Zufallsbegegnung in Breda sollte
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