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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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entwischen können. Das wäre ein Beispiel für einen
Selektionseffekt –
eine entweder durch das Verfahren zum Sammeln der Daten oder durch deren Auswertungsmodus entstandene Voreingenommenheit, die das Ergebnis entscheidend beeinflusst. Die Stichprobenauswahl ist ein weiteres Problem. Moderne Meinungsumfragen interviewen beispielsweise in der Regel nicht mehr als ein paar tausend Personen. Wie können die Demoskopen sicher sein, dass die Ansichten, die die Angehörigen dieser Stichprobe äußern, die Meinungen einiger Millionen ihrer Zeitgenossen korrekt widerspiegeln? Ein weiterer Punkt, den man sich klarmachen muss, ist der, dass Korrelation nicht automatisch auch Kausalität bedeutet. Die Verkaufszahlen bei Toastern mögen zur selben Zeit steigen wie die Zahl der Zuhörer von klassischen Konzertveranstaltungen, das aber heißt noch lange nicht, dass der Erwerb eines Toasters den Sinn für Musik erstarken lässt. Vielmehr könnten beide Effekte auf ein allgemeines Wirtschaftswachstum zurückzuführen sein.
    Trotz solcher zweifellos wichtigen Einwände ist die Statistik zu einem der effizientesten Instrumente der modernen Gesellschaft geworden und hat sozusagen eine «Verwissenschaftlichung» der Sozialwissenschaften bewirkt. Warum aber funktionieren Statistiken überhaupt? Die Antwort liefert uns die Mathematik der
Wahrscheinlichkeit,
die viele Facetten modernen Lebens regiert. Ingenieure, die zu entscheiden versuchen, welche Sicherheitsvorkehrungen sie den Astronauten ihrer neuesten Raumfähre zur Verfügung stellen sollen, Teilchenphysiker, die versuchen, die Ergebnisse ihrer Beschleunigerexperimente zu deuten, Psychologen, die Kinder mittels Intelligenztests einordnen, Pharmafirmen, die die Wirksamkeit neuer Medikamente auswerten, und Genetiker, die sich mit der Vererbung von Merkmalen befassen – sie alle müssen sich des mathematischen Werkzeugs der Wahrscheinlichkeitstheorie bedienen.
Wie der Zufall so spielt
    Die ernsthafte Auseinandersetzung mit Wahrscheinlichkeiten blickt auf recht bescheidene Anfänge zurück – Spieler versuchten, ihre Wetten den jeweiligen Erfolgsaussichten anzupassen. Mitte des 17. Jahrhunderts stellte zum Beispiel ein französischer Adliger – der Chevalier de Méré, der als berüchtigter Glücksspieler bekannt war – dem berühmten französischen Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal (1623–1662) eine Reihe von Fragen zum Glücksspiel. Letzterer pflegte im Jahre 1654 mit dem anderen großen französischen Mathematiker jener Zeit, Pierre de Fermat (1601–1665), einen ausführlichen Briefwechsel zu drei dieser Fragen. Dieser Briefwechsel war sozusagen die Wiege der Wahrscheinlichkeitstheorie.
    Lassen Sie uns eines dieser faszinierenden Beispiele genauer betrachten, das Pascal in einem Brief vom 29. Juli 1654 angeführt hat. Stellen Sie sich zwei Adlige bei einem Glücksspiel vor, bei dem es um die Augenzahl eines einzelnen Würfels geht. Jeder Spieler hat zweiunddreißig Goldmünzen gesetzt. Der erste Spieler wählt die Augenzahl 1, der zweite die Zahl 5. Jedes Mal, wenn eine der von den beiden Spielern gesetzten Augenzahlen erreicht wird, bekommt der Betreffendeeinen Punkt zugesprochen. Gewonnen hat, wer als Erster drei Punkte hat. Angenommen weiter, das Spiel ist eine Weile gelaufen und die Zahl 1 ist zweimal gefallen (sodass der Spieler mit dieser Glückszahl nunmehr zwei Punkte hat), die Zahl 5 hingegen nur einmal (sodass der Gegner nur einen Punkt hat). Wenn das Spiel nun aus irgendeinem Grund unterbrochen werden muss, wie sind dann die 64 Goldmünzen auf dem Tisch zwischen den Spielern aufzuteilen? Pascal und Fermat fanden die mathematisch logische Antwort. Wenn der Spieler mit den zwei Punkten die nächste Runde gewinnen würde, gehörten ihm die 64 Münzen. Gewänne der andere Spieler die nächste Runde, hätte jeder der Spieler zwei Punkte und erhielte somit 32 Goldstücke. Trennten sich daher die Spieler vor der nächsten Runde, könnte der erste Spieler mit Recht argumentieren: «Zweiunddreißig Goldstücke sind mir sicher, selbst wenn ich diese Runde verlöre, was die anderen zweiunddreißig betrifft, stehen die Chancen gleich – vielleicht erhalte ich sie, vielleicht du. Lass uns die verbliebenen zweiunddreißig also zu gleichen Teilen aufteilen, und dazu bekomme ich die zweiunddreißig, die ich ohnehin schon sicher habe.» Mit anderen Worten: Der erste Spieler erhielte 48, der andere 16 Goldstücke. Unglaublich, dass eine neue so umfassende

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