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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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mathematische Disziplin aus solcherlei allem Anschein nach trivialen Erwägungen heraus geboren werden sollte, oder? Genau das aber ist der Grund dafür, dass die Erklärungsmacht der Mathematik so unbegreiflich und geheimnisvoll scheint.
    Das Wesen der Wahrscheinlichkeitstheorie lässt sich an folgenden schlichten Tatsachen erahnen. Niemand kann mit Sicherheit vorhersagen, welche Seite einer hochgeworfenen Münze bei deren Auftreffen oben liegen wird. Selbst wenn die Münze zehnmal hintereinander Kopf gezeigt hat, verbessert das Ihre Fähigkeit, den nächsten Wurf verlässlich vorherzusagen, um kein Jota. Trotzdem können wir mit Sicherheit sagen, dass, wenn Sie die Münze zehn Millionen Mal werfen, ziemlich genau die Hälfte Ihrer Würfe Kopf und ziemlich genau die Hälfte davon Zahl zeigen wird. Ja, Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Statistiker Karl Pearson die Geduld, eine Münze 24.000-mal zu werfen. In 12.012 Fällen warf er Kopf. Das ist in gewisser Weise auch schon alles, worum es in der Wahrscheinlichkeitstheorie geht.Die Wahrscheinlichkeitstheorie liefert uns genaue Informationen über das Spektrum der Ergebnisse einer großen Zahl von Experimenten, kann aber niemals das Ergebnis eines bestimmten Ereignisses vorhersagen. Wenn ein Experiment
n
mögliche Ausgänge haben kann, ist jeder davon gleich möglich, das heißt, die Wahrscheinlichkeit für jedes Ergebnis beträgt 1/
n
. Wenn Sie einen nicht gezinkten Würfel werfen, beträgt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Augenzahl 4 erscheint, ein Sechstel, denn ein Würfel hat sechs Seiten und jede Seite ist gleich wahrscheinlich. Angenommen, Sie würfelten siebenmal hintereinander und hätten jedes Mal eine 4: Wie groß wäre die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Sie beim nächsten Wurf wieder eine 4 bekämen? Die Wahrscheinlichkeitstheorie hat hierauf eine glasklare Antwort: Die Wahrscheinlichkeit wäre noch immer ein Sechstel – der Würfel kennt kein Gedächtnis, und Dinge wie eine «glückliche Hand» oder die Vorstellung, dass der nächste Wurf ein vorheriges Ungleichgewicht gutmachen könnte, sind Märchen. Wahr ist, dass die Ergebnisse, wenn Sie eine Million Mal würfelten, sich einem Mittel näherten und in ungefähr einem Sechstel der Fälle die 4 erschiene.
    Lassen Sie uns eine etwas kompliziertere Situation in Augenschein nehmen. Angenommen, Sie würfen gleichzeitig drei Münzen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie zweimal Zahl und einmal Kopf erhalten? Die Antwort finden wir, indem wir einfach die möglichen Ergebnisse auflisten. Wenn wir Kopf mit «K» und Zahl mit «Z» bezeichnen, gibt es acht mögliche Ergebnisse: ZZZ, ZZK, ZKZ, ZKK, KZZ, KZK, KKZ, KKK. Drei davon entsprechen dem Ereignis «zweimal Zahl und einmal Kopf». Die Wahrscheinlichkeit für dieses Resultat beträgt demnach ⅜. Oder, allgemeiner ausgedrückt: Wenn von
n
gleich wahrscheinlichen Ergebnissen
m
dem Ereignis entsprechen, um das es Ihnen geht, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit für ebendieses Ereignis
m/n.
Man beachte: Dies bedeutet, dass Wahrscheinlichkeiten stets einen Wert zwischen null und eins haben. Wenn das Ereignis, das Sie interessiert, unmöglich eintreten kann, ist
m
= 0 (das gewünschte Ereignis ist nicht zu erwarten), und die Wahrscheinlichkeit ist null. Wenn hingegen das Eintreten des Ereignisses absolut sicher ist, dann bedeutet dies, dass alle
n
Ereignisse wie gewünscht ausfallen
(m
=
n)
und die Wahrscheinlichkeit dafür
n/n
= 1 beträgt.Die Ergebnisse des Experiments mit drei Münzwürfen illustriert noch eine andere wichtige Erkenntnis der Wahrscheinlichkeitstheorie – wenn Sie mehrere Ereignisse haben, die voneinander absolut
unabhängig
sind, dann errechnet sich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass alle drei eintreten, aus dem Produkt der Einzelwahrscheinlichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dreimal Kopf zu werfen, beträgt zum Beispiel ⅛ – das ist das Produkt aus dreimal der Wahrscheinlichkeit für Kopf in jedem der drei Münzwürfe: ½ × ½ × ½ = ⅛.
    Na gut, denken Sie vielleicht, aber welchen Nutzen ziehen wir außer bei Casinoabenteuern und anderen Glücksspielen aus diesen grundlegenden Wahrscheinlichkeitsbegriffen? Ob Sie es glauben oder nicht, diese scheinbar so unbedeutenden Wahrscheinlichkeitsgesetze sind das Herz der modernen Genetik – der Wissenschaft von der Vererbung biologischer Merkmale.

    Abbildung 33

    Abbildung 34
    Derjenige, der die Wahrscheinlichkeit in der Genetik ins Spiel gebracht hat, war ein Priester

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