Ist Gott ein Mathematiker
aus Nordmähren. Gregor Mendel (1822–1884) wurde in einem Dorf nahe der Grenze zwischen Mähren und Schlesien (Heinzendorf, heute Hynčice in Tschechien) geboren. Er trat dem Augustinerorden in Brünn bei und studierte an der Universität Wien Zoologie, Botanik, Physik und Chemie. Nach seiner Rückkehr ins Kloster von Brünn begann er, unterstützt vom Abt der Augustinerabtei, mit Erbsenpflanzen zu experimentieren. Auf diese Spezies hatte sich Mendel verlegt, weil sie leicht zu züchten war und weil sie sowohl weibliche als auch männliche Fortpflanzungsorgane besitzt. Erbsenpflanzen können infolgedessen entweder selbst- odervon einer anderen Pflanze fremdbestäubt werden. Die Fremdbestäubung zwischen Pflanzen, die nur grüne Erbsen hervorbringen, und solchen, die nur gelbe Erbsen hervorbringen, lieferte Mendel Ergebnisse, die ihm auf den ersten Blick höchst verwunderlich erschienen sein müssen (Abbildung 33). Die erste Generation an Nachkommen brachte ausschließlich gelbe Erbsen hervor, bei der nachfolgenden Generation aber betrug das Verhältnis von gelben zu grünen Erbsen 3: 1! Mendel war so klug, aus diesen Überraschungsbefunden drei scharfsinnige Schlussfolgerungen zu ziehen:
1. Die Vererbung eines Merkmals geschieht mittels der Übertragung gewisser «Faktoren» (die wir heute als
Gene
bezeichnen) von den Eltern auf die Nachkommen.
2. Jeder Nachkomme erbt für jedes Merkmal von jedem Elternteil einen dieser «Faktoren».
3. Ein Merkmal muss sich nicht notwendigerweise in einem Nachkommen sichtbar manifestieren, sondern kann unausgeprägt an die nächste Generation weitergegeben werden.
Doch wie lassen sich die quantitativen Ergebnisse der Mendel’schen Versuche erklären? Mendels Überlegungen zufolge musste jede der Elternpflanzen über zwei Ausprägungen desselben «Faktors» (das, was wir heute als Allel bezeichnen würden: zwei Variationen ein unddesselbenGens) verfügen – entweder zwei für grüne oder zwei für gelbe Erbsen (siehe Abbildung 34). Wenn die beiden verpaart werden, erbt jeder Nachkomme (nach Regel Nummer 2) zwei verschiedene Allele, von jedem Elternpaar eines. Das heißt, jeder Samen der Nachkommengeneration enthält ein Allel für Grün und eines für Gelb. Warum aber waren die Erbsen in dieser Generation sämtlich gelb? Weil, so Mendel, gelb in diesem Falle die dominante Farbe ist und so das Vorhandensein des grünen Allels in dieser Generation überdeckt wird (vergleiche Regel 3). Das dominante Gelb aber (immer noch Regel 3) verhindert nicht, dass das rezessive Grün an die nächste Generation weitergegeben wird. Bei der nächsten Paarungsrunde werden alle Pflanzen mit einem Allel für Grün und einem Allel für Gelb von Pflanzen mit derselben Allelkombination befruchtet. Da die Nachkommengeneration von jedem Elternteil ein Allel erbt, werden die Samen der nächsten Generation eine der folgenden Allelkombinationen aufweisen (siehe Abbildung 34): Grün-Grün, Grün-Gelb, Gelb-Grün und Gelb-Gelb. Alle Samen mit einem Allel für Gelb werden gelb erscheinen, denn Gelb ist dominant. Da alle Allelkombinationen gleich wahrscheinlich sind, sollte das Verhältnis von gelben und grünen Erbsen 3: 1 betragen.
Ihnen ist vielleicht nicht entgangen, dass diese ganze Mendel-Übung im Prinzip dasselbe ist wie ein Experiment, bei dem zwei Münzen geworfen werden. Wenn Sie bei zwei Allelen fragen, welcher Anteil an Erbsen gelb ist (wenn gelb die Farbe dominant beeinflusst), dann ist das genau dasselbe, als wenn Sie Grün mit Kopf und Gelb mit Zahl gleichsetzen und dann fragen, wie groß die Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass Sie beim Werfen zweier Münzen mindestens einmal Zahl erhalten. Die Antwort lautet klar ¾, denn drei der möglichen vier Ergebnisse (Zahl-Zahl, Zahl-Kopf, Kopf-Zahl, Kopf-Kopf) enthalten einmal Zahl. Dies bedeutet, dass das Verhältnis der Anzahl an Würfen, die mindestens einmal Zahl enthalten, zur Zahl der Würfe ohne Zahl (auf lange Sicht) genau wie in Mendels Experimenten 3: 1 beträgt.
Obwohl Mendel seinen Artikel «Versuch über Pflanzenhybriden» im Jahr 1865 zur Veröffentlichung vorlegte (und die Ergebnisse überdies auf zwei wissenschaftlichen Tagungen vortrug), blieb seineArbeit im Wesentlichen unbeachtet und wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Wenn auch in Bezug auf die Genauigkeit seiner Ergebnisse einige Fragen offenbleiben, so gilt er doch als derjenige, der die mathematischen Grundlagen der modernen Genetik
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