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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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gelegt hat. Auf dem von Mendel geebneten Weg weiter voranschreitend, schuf der renommierte britische Statistiker Ronald Aylmer Fisher (1890–1962) das Fundament für das Gebiet der Populationsgenetik – jenes mathematischen Zweigs, bei dem es um das Erstellen von Modellen für die Verteilung von Genen innerhalb einer Population und um das Errechnen der Veränderungen von Genhäufigkeiten im Laufe der Zeit geht. Die Genetiker der Gegenwart können auf eine Kombination aus DNA-Analytik und statistischen Verfahren zurückgreifen, wenn sie die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Merkmale bei einem Ungeborenen vorhersagen wollen. Trotzdem: In welcher Beziehung stehen Wahrscheinlichkeit und Statistik zueinander?
Fakten und Vorhersagen
    Wissenschaftler, die der Evolution des Universums auf die Spur kommen wollen, versuchen für gewöhnlich, das Problem von zwei Enden aus anzugehen. Da gibt es jene, die bei winzigsten Schwankungen in der kosmischen Beschaffenheit des Uruniversums ansetzen, und dann gibt es solche, die jedes Detail des gegenwärtigen Zustands unseres Universums untersuchen. Erstere verwenden groß angelegte Computersimulationen, mit denen sie die Vorwärtsevolution nachzuvollziehen suchen, Letztere betreiben mit großer Akribie detektivische Nachforschungen, um die Vergangenheit unseres Universums aus einer Vielzahl an Gegenwartsfakten herauszulesen. Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik stehen in einer ähnlichen Beziehung zueinander. In der Wahrscheinlichkeitstheorie sind Variablen und Ausgangszustand bekannt, und das Ziel besteht darin, das wahrscheinlichste Endergebnis vorherzusagen. In der Statistik ist das Ergebnis bekannt, die in der Vergangenheit liegenden Ursachen hingegen sind ungewiss.
    Lassen Sie uns ein einfaches Beispiel dafür betrachten, wie sich diese beiden Gebiete ergänzen, sozusagen auf halber Strecke treffen.

    Abbildung 35
    Wir können von der Tatsache ausgehen, dass statistische Untersuchungen gezeigt haben, dass Messungen bei einer Vielzahl an physikalischen Größen und sogar bei menschlichen Eigenschaften jener bereits vorgestellten
Normalverteilungskurve
gehorchen. Genauer gesagt, ist diese Normalverteilung keine Einzelkurve, sondern es handelt sich um eine Kurvenfamilie, deren Mitglieder allesamt durch dieselbe allgemeine Funktion beschreibbar und durch zwei mathematische Größen eindeutig charakterisiert sind. Die erste dieser Größen – das
Mittel
oder der
Mittelwert –
ist der zentrale Wert, um den herum die Verteilung symmetrisch angeordnet ist. Der tatsächliche Wert des Mittels hängt natürlich von der Art von Variablen ab, die gemessen wurde (Körpergewicht, Größe, IQ zum Beispiel). Sogar für ein und dieselbe Variable kann es bei unterschiedlichen Populationen unterschiedliche Mittelwerte geben. So dürfte die mittlere Körpergröße schwedischer Männer im Mittel vermutlich anders aussehen als die bei Peruanern. Die zweite Größe, die eine Normalverteilung definiert, ist die sogenannte
Standardabweichung
(Symbol: σ oder, nach der englischen Bezeichnung,
standard deviation,
SD). Sie ist ein Maß dafür, wie eng die Daten sich um den Mittelwert herumgruppieren. In Abbildung 35 weist die Normalverteilung (a) die höchste Standardabweichung auf, weil die Werte weiter gestreut sind. An dieser Stelle ist noch eine interessante Tatsache zu bemerken. Wenn man mittels Integralrechnung die Flächen unterhalb der einzelnen Kurven berechnet, kann man mathematisch einwandfrei nachweisen, dass, unabhängig vom eigentlichen Betrag des Mittelwerts und der Standardabweichung, stets 68,2 Prozent der Daten innerhalb des Intervalls liegen,das durch je eine Standardabweichung dies- und jenseits des Mittelwerts definiert ist (siehe Abbildung 36). Mit anderen Worten: Wenn der mittlere IQ einer bestimmten (großen) Population bei 100 liegt und die Standardabweichung 15 beträgt, dann haben 68,2 Prozent aller Angehörigen dieser Population einen IQ zwischen 85 und 115. Darüber hinaus liegen bei allen Normalverteilungskurven 95,4 Prozent sämtlicher Fälle innerhalb eines Intervalls von zwei Standardabweichungen vom Mittelwert, 99,7 Prozent innerhalb eines Intervalls von drei Standardabweichungen dies- und jenseits des Mittelwerts (Abbildung 36). Das bedeutet, dass in dem oben genannten Beispiel 95,4 Prozent der Bevölkerung einen IQ zwischen 70 und 130 beziehungsweise 99,7 Prozent einen IQ zwischen 55 und 145 aufweisen.

    Abbildung 36
    Nehmen wir nun an, wir wollten

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