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Ist Gott ein Mathematiker

Ist Gott ein Mathematiker

Titel: Ist Gott ein Mathematiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Livio
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(1872–1970), einem der berühmtesten Logiker und Philosophen des 20. Jahrhunderts. Er wollte damit zeigen, dass die logische Intuition des Menschen alles andere als unfehlbar ist. Paradoxa oder Antinomien spiegeln Situationen wider, in denen scheinbar annehmbare Voraussetzungen in nicht annehmbare Schlussfolgerungen münden, im obigen Beispiel rasiert der Barbier sich und rasiert sich doch nicht. Lässt sich dieses Paradoxon irgendwie auflösen? Eine mögliche Lösung, die beide Prämissen erfüllt, wäre ganz einfach: Der Barbier ist eine Frau! Hätte man uns andererseits im Vorhinein gesagt, dass der Barbier ein Mann zu sein habe, dann müssen wir, wenn wir die Prämissen akzeptieren, unweigerlich bei einer absurden Schlussfolgerung landen. Mit anderen Worten: Einen solchen Barbier kann es schlicht nicht geben.
    Was aber hat das alles mit Mathematik zu tun? Wie sich gezeigt hat, sind Mathematik und Logik aufs Engste miteinander verflochten. Russell selbst beschreibt ihre Beziehung folgendermaßen:
    Mathematik und Logik waren, historisch gesprochen, zwei getrennte Arbeitsgebiete. Die Mathematik hing mit den Naturwissenschaften, die Logik mit dem Griechischen zusammen. Aber beide haben sich in der modernen Zeit entwickelt. Die Logik wurde mathematischer, die Mathematik logischer. Infolgedessen ist es heute ganz unmöglich, einen Trennungsstrich zwischen beiden zu ziehen. Tatsächlich sind sie eins. Sie unterscheiden sich wie der Knabe und der Mann: Die Logik ist die Jugend der Mathematik, und die Mathematik ist das Mannesalter der Logik.
    Russell vertritt hier den Standpunkt,
Mathematik lasse sich im Großen und Ganzen auf Logik zurückführen.
Mit anderen Worten: Die Grundkonzepte der Mathematik, sogar Objekte wie Zahlen können vermittels der grundlegenden Gesetze logischer Beweisführung definiert werden. Damit nicht genug, so argumentiert Russell im Weiteren, kann man jene Definitionen in Kombination mit logischen Prinzipien verwenden, um daraus mathematische Sätze erstehen zu lassen.
    Ursprünglich hatte diese Betrachtungsweise der Mathematik (der sogenannte
Logizismus)
den Segen sowohl derjenigen, die in der Mathematik nichts weiter sahen als ein vom Menschen erfundenes, hochkomplexes Spiel (die sogenannten
Formalisten),
als auch den der bekümmerten Platoniker. Erstere waren ursprünglich froh gewesen, ein Sammelsurium von scheinbar in keiner Weise miteinander in Beziehung stehenden «Spielen» in einer «Mutter aller Spiele» aufgehen zu sehen. Letztere erblickten einen Hoffnungsschimmer in der Vorstellung, dass die gesamte Mathematik aus einer einzigen unanfechtbaren Quelle stammen könnte. In den Augen der Platoniker erhöhte dies die Wahrscheinlichkeit für einen gemeinsamen metaphysischen Ursprung immens – klar, dass eine und nur eine Wurzel für die gesamte Mathematik es (zumindest im Prinzip) auch leichter machen würde, die Ursache für deren Erklärungsmacht zu ermitteln.
    Der Vollständigkeit halber sollte ich noch anmerken, dass es eine Denkschule gab – den
Intuitionismus –,
der sowohl den Logizismus als auch den Formalismus vehement ablehnte. Der Fackelträger dieser Schule war der einigermaßen fanatische niederländische Mathematiker Luitzen E. J. Brouwer (1881–1966). Brouwer glaubte, dass die natürlichen Zahlen der intuitiven Einsicht des Menschen in die Zeitund in diskrete Erfahrungsmomente entsprungen seien. Für ihn war es keine Frage, dass die Mathematik Ergebnis menschlichen Denkens war, daher sah er keinerlei Bedarf an universalen logischen Gesetzen von der Art, wie Russell sie vorschwebten. Brouwer ging jedoch noch viel weiter und erklärte, dass die einzig bedeutsamen mathematischen Entitäten solche seien, die sich vermittels einer endlichen Anzahl an Schritten auf der Basis der natürlichen Zahlen konstruieren ließen. Infolgedessen musste er große Teile der Mathematik, für die konstruktive Beweise nicht möglich sind, zurückweisen. Ein weiteres logisches Prinzip, das von Brouwer entschieden abgelehnt wurde, war das
Prinzip des ausgeschlossenen Dritten
oder
Tertium non datur –
die Bedingung, dass eine Aussage nur entweder wahr oder falsch sein kann. Folglich ließ er Aussagen zu, die sozusagen einem Stadium dazwischen (einem dritten eben) entsprachen, mithin «unentschieden» sein durften. Diese und einige andere intuitionistische Denkansätze drängten diese Schule letztlich ein bisschen an den Rand des Geschehens. Dessen ungeachtet ist allerdings zu sagen, dass

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