Ist Gott ein Mathematiker
Wahrheit jeder Aussage in jeder beliebigen wissenschaftlichen Disziplin durch rein algebraische Operationen buchstäblich errechnen zu können. Er prophezeite, dass sich mit dem richtigen formalen Rechensystem – dem richtigen logischen Kalkül – philosophische Debatten künftig durch Rechnen würden lösen lassen. Leider kam Leibniz mit der Entwicklung seiner Algebra der Logik nicht sehr weit. Neben der allgemeinen Grundsatzidee einer «Algebra des Denkens» bestanden seine beiden Hauptbeiträge in einer klaren Aussage darüber, wann wir zwei Dinge als gleich zu betrachten haben, und in der etwas trivial anmutenden Feststellung, dass keine Aussage zur gleichen Zeit wahr und falsch sein kann. Leibniz’ Ideen blieben, obwohl sie glänzend waren, lange Zeit hindurch mehr oder minder unbemerkt.
Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Logik wieder mehr in Mode, und eine plötzliche Welle an Interesse brachte wichtige Werke hervor,in erster Linie von Augustus De Morgan (1806–1871), später von George Boole (1815–1864), Gottlob Frege (1848–1925) und Giuseppe Peano (1858–1932).
De Morgan war ein unglaublich produktiver Autor, der Tausende Artikel und Bücher über alle möglichen Themen in Mathematik, Mathematikgeschichte und Philosophie veröffentlicht hat. Zu seinen ungewöhnlicheren Werken gehören ein Almanach der Vollmonde (das Jahrtausende abdeckte) und ein Kompendium der ausgefallenen Mathematik. Fragte man ihn, wie alt er sei, gab er zur Antwort: «Ich war im Jahre
x 2 x
Jahre alt.» Sie können leicht nachprüfen, dass die einzige Zahl, die quadriert eine Zahl zwischen 1806 und 1871 (dem Geburts- beziehungsweise Sterbejahr von De Morgan) ergibt, 43 ist. De Morgans originellste Beiträge liegen sicher auf dem Gebiet der Logik, auf dem er den Anwendungsbereich der Syllogismen des Aristoteles beträchtlich erweiterte und eine algebraische Herangehensweise an logisches Denken erprobte. De Morgan blickte mit den Augen des Algebraikers auf die Logik und mit den Augen des Logikers auf die Algebra. In einem seiner Artikel beschrieb er diesen visionären Blickwinkel: «Zur Algebra müssen wir schauen, wollen wir den mühelosesten Umgang mit logischen Formen erlernen … der Algebraiker lebte [schon] in den höheren Sphären der Syllogismen, des unermüdlichen Herstellens von Beziehungen, bevor zugestanden wurde, dass eine solche Sphäre überhaupt existiert.»
Einer von De Morgans wichtigsten Beiträgen zur Logik behandelt die
Quantifikation von Prädikaten –
eine ziemlich bombastische Bezeichnung für das, was man als überraschenden Weitblick seitens der Logiker der klassischen Periode betrachten könnte. Die Aristoteliker hatten völlig zutreffend erkannt, dass aus Prämissen wie «manche
Z
sind X» und «manche
Z
sind Y» keinerlei notwendige Schlussfolgerung über die Beziehung zwischen den
X
und den
Y
gezogen werden kann. Zum Beispiel erlauben die Sätze «Manche Leute essen Brot» und «Manche Leute essen Äpfel» keine abschließenden Schlussfolgerungen über die Beziehung zwischen Apfelessern und Brotessern. Bis ins 19. Jahrhundert gingen Logiker überdies davon aus, dass für jede Beziehung zwischen den
X
und den
Y,
die sich notwendig ergibt, der sogenannte Mittelbegriff (im obigen Beispiel Z) in einer der beidenPrämissen universal sein, das heißt «alle
Z»
in die entsprechende Aussage einschließen muss. De Morgan zeigte, dass diese Annahme falsch ist. In seinem Buch
Formal Logic
(«Formale Logik», erschienen 1847) führte er aus, dass aus Prämissen wie «Die meisten
Z
sind
X»
und «Die meisten
Z
sind
Y»
notwendigerweise folgt, dass «manche
X
auch
Y
sind». Beispielsweise implizieren die Aussagen «Die meisten Menschen essen Brot» und «Die meisten Menschen essen Äpfel» unweigerlich die Aussage: «Manche Menschen essen
sowohl
Brot
als auch
Äpfel.» De Morgan ging sogar noch weiter und verlieh seinem neuen Syllogismus eine präzise quantitative Form. Stellen Sie sich vor, die Gesamtzahl aller
Z
würde mit z, die Gesamtzahl der Z, die auch
X
sind, mit
x
und die Zahl der Z, die auch
Y
sind, mit
y
bezeichnet. Im oben genannten Beispiel könnte es zum Beispiel eine Gesamtzahl von 100 Personen (z = 100) geben, von denen 57 Brot (x = 57) und 69 Äpfel essen (y = 69). Dann, so Morgan, muss es mindestens (x +
y –
z)
X
geben, die gleichzeitig auch
Y
sind. Mindestens 26 Leute (aus 57 + 69 – 100) müssten demnach sowohl Brot als auch Äpfel essen.
Leider zog diese schlaue Methode des
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