Ist Gott ein Mathematiker
Quantifizierens von Prädikaten De Morgan in einen ungemütlichen öffentlichen Disput hinein. Der schottische Philosoph William Hamilton (1788–1856) – nicht zu verwechseln mit dem irischen Mathematiker William Rowan Hamilton – beschuldigte De Morgan des Plagiats, da er selbst einige Jahre vor De Morgan mehr oder minder ähnliche (aber weit weniger akkurate) Überlegungen veröffentlicht hatte. In Anbetracht seiner grundsätzlichen Haltung zur Mathematik und zu den Mathematikern waren Hamiltons Angriffe keine sonderliche Überraschung, hatte er doch einmal gesagt: «Das übermäßige Studium der Mathematik macht den Geist völlig untauglich für jene intellektuelle Energie, die die Philosophie und das Leben erfordern.» Die nachfolgende erbitterte Briefschlacht zeitigte ein positives, wenngleich komplett unbeabsichtigtes Ergebnis: Sie brachte den Algebraiker George Boole zur Logik. Boole erinnert sich später in seinem Werk
Mathematische Analyse der Logik:
Im Frühjahr dieses Jahres wurde ich auf eine Frage aufmerksam, die zu der Zeit Sir William Hamilton und Professor De Morgan diskutierten. Mein Interesse erwachte von Neuem, und ich nahm einenfast vergessenen Faden meiner Untersuchungen wieder auf. Ich erkannte, daß der Logik, obgleich man sie mit Bezug auf die Idee der Quantität betrachten kann, noch ein weiteres, tieferes Beziehungssystem zugrundliegt. Wenn es zulässig ist, sie von
außen
als durch das Medium der Zahl mit der Intuition von Raum und Zeit verbunden zu betrachten, so ist es ebenso zulässig, sie von
innen
als auf Tatsachen einer anderen Ordnung basierend zu betrachten, die ihren Sitz in der Verfassung des Geistes hat.
Diese bescheidenen Worte beschreiben den Beginn dessen, was sich als Jahrhundertleistung in symbolischer Logik erweisen sollte.
Die Gesetze des Denkens
George Boole (Abbildung 46) wurde am 2. November 1815 in der Industriestadt Lincoln in England geboren. Sein Vater John Boole, Schuhmacher in Lincoln, zeigte großes Interesse an der Mathematik und war erfahrener Konstrukteur einer beachtlichen Palette an optischen Instrumenten. Seine Mutter Mary Ann Joyce war Zofe. Mit einem Vater, dessen Herz nicht allzu sehr an seinem ausgewiesenen Beruf hing, stand die Familie finanziell nicht übermäßig gut da. Bis zum Alter von sieben Jahren besuchte George die Volksschule, später dann eine Handelsschule, wo ein gewisser John Walter Reeves zu seinen Lehrern gehörte. Als Junge interessierte sich Boole hauptsächlich für Latein, worin er von einem Buchhändler unterrichtet wurde, und für Griechisch, das er im Selbststudium erlernte. Mit vierzehn Jahren gelang ihm die Übersetzung eines Gedichts des griechischen Dichters Meleagros aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Georges stolzer Vater veröffentlichte das Gedicht im
Lincoln Herald –
dieser Schritt veranlasste einen örtlichen Schulmeister zu einem Artikel, in dem er seinem Unglauben über die Leistung des Jungen Ausdruck verlieh. Die Armut seiner Familie zwang George Boole, sich bereits im Alter von sechzehn Jahren als Hilfslehrer zu verdingen. In den folgenden Jahren widmete er seine freie Zeit dem Studium des Französischen, Deutschen und Italienischen. Seine Kenntnisse in diesen modernen Sprachen erwiesen sich als überaus nützlich, denn sie erlaubten ihm, sich denWerken der großen Mathematiker seiner Zeit, Sylvestre Lacroix, Laplace, Langrange, Jacobi und anderen, zuzuwenden. Noch immer verfügte er aber nicht über die Mittel, reguläre Mathematikvorlesungen zu besuchen, und fuhr mit seinem Selbststudium fort, während er nebenbei Eltern und Geschwister durch seine Lehrtätigkeit unterstützte. Trotzdem zeigte sich allmählich die mathematische Begabung dieses Autodidakten, und er fing an, seine Arbeiten im
Cambridge Mathematical Journal
zu veröffentlichen.
Abbildung 46
Im Jahr 1842 begann Boole einen regelmäßigen Briefwechsel mit De Morgan, dem er seine mathematischen Veröffentlichungen mit der Bitte um Kommentierung zu übersenden pflegte. Aufgrund seiner wachsenden Reputation als schöpferischer Mathematiker und dank entschiedener Fürsprache De Morgans bot man Boole im Jahr 1849 die Stellung eines Mathematikprofessors am Queen’s College im irischen Cork an, wo er bis an sein Lebensende lehrte. Im Jahr 1855 heiratete Boole die siebzehn Jahre jüngere Mary Everest (nach derenOnkel George Everest übrigens der Berg benannt ist), die beiden sollten fünf Töchter miteinander haben. Boole starb jung, im Alter
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