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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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lächelt meine Mutter und nimmt sich zusammen und ist freundlich. So hat sie also auch heute jemanden, mit dem sie Opern hören kann, und ich bin froh darüber, weil ich dann nicht zu Hause bleiben muss, um sie zu trösten. Manche Tage machen mich ganz klaustrophobisch, und dieser mehr als andere.
    Ich gehe hinauf in mein Zimmer und ziehe mir normale Klamotten an, halte die Pepitahose hoch und beschließe dann, lieber eine Jeans anzuziehen. Bevor ich gehe, lege ich Bob Dylans Like a Rolling Stone auf, um die Gedanken durchzuspülen. An diesen Song reicht kein anderer heran. Er ist so voller Hass, dass ich Lust hätte, mich sofort auf die Bank zu legen und Gewichte zu stemmen, aber das dauert zu lange. Ich ertrage den Gedanken nicht, jetzt mit Kirsten Flagstad und Maria Callas auf der anderen Seite der Tür im Haus zu bleiben.
    Auf dem Weg aus dem Zimmer bleibe ich mit dem Fuß an etwas hängen, das unter dem Bett hervorschaut. Es ist das Akkordeon. Ich habe es, ohne dass meine Mutter es mitbekommen hat, in mein Zimmer geschmuggelt und dort versteckt. Es hängt ein Warnschild an der Tür, sie kommt also nicht einfach hier rein. Ich habe es niemandem erzählt, nur Arvid weiß es, und manchmal verspüre ich den Wunsch, das Akkordeon herauszuholen, es in den Arm zu nehmen und die Töne auszuprobieren. Aber dann habe ich Angst vor der Erinnerung. Ich schiebe es mit dem Fuß ganz unter das Bett.
    Ich gehe durch die Stube. Roberto steht vor dem alten Plattenschrank und wedelt mit einer Neueinspielung von Tosca, er zwinkert mir zu, und ich schlage mir auf den Po, und meine Mutter sagt:
    »Jetzt leg sie schon auf!«
    Die ersten Töne poltern die Treppe herunter, bevor ich das Haus verlassen habe. Sie stellt die Musik viel lauter als ich, trotzdem bin ich es, der Schelte kriegt. Ich glaube, ich habe mehr für Jussi Björling übrig als sie für Jimi Hendrix. Der Einzige, den sie nach 1945 akzeptiert, ist Elvis, aber mir ist Elvis schnuppe, und das liegt vielleicht daran, dass sieihn ganz okay findet, und er erinnert sie an Tage, als die Zukunft noch nicht vorbei war und sie auf dem Land in alten amerikanischen Autos saß und mit meinem Vater knutschte, mit Kari auf dem Rücksitz, in Windeln eingepackt, voller Träume hinter dem Armaturenbrett, und bald würde sie den Mann heiraten, den sie haben wollte. Was für eine Pleite!
     
    Als ich nach draußen komme, regnet es. Schwer und heftig, die Wände der Blocks werden dunkel und schmierig, und plötzlich sehne ich mich nach Rundholzwänden und Häusern mit schrägem Dach und Bodenkammer und Birken vor den Fenstern und nach einer Wiese, wo der Wind und der Regen in einer einzigen langen Dünung über das hohe Gras fegen und dich an Filme denken lassen, die du gesehen hast, und daran, dass du gleichzeitig barfuß läufst, und dann geht es vorbei, zwängt sich in einen Trichter mit nur einem schmalen Weg hinaus.
    Es gibt nichts zu überlegen. Wir können nur abwarten, was passiert. Aber es passiert nichts. Es sind bald zwei Wochen vergangen, und wäre ich nicht ich, würde ich glauben, ich hätte einen Geist gesehen. Ich erinnere mich an eine Zeit auf dem Land, als fast alle an Geister glaubten. Jemand hatte Geschichten in die Welt gesetzt, die wie eine Nervenkrankheit von Dorf zu Dorf zogen, und Kari war am Ende so nervös, dass sie einem Club beitrat, der sich Parapsychologische Vereinigung Kløfta nannte. Die Mitglieder zogen in Gruppen zu verlassenen Höfen, legten sich dort mit Aufnahmegeräten auf den Boden in der Stube und hielten sich gegenseitig wach, indem sie sich Angst machten, während sie auf weiße Damen in Spitzenkleidern warteten. Aber Mädchen sind Mädchen, ich für meinen Teil glaube an das,was ich sehe, wenn ich es sehe. Ich habe noch nie einen Geist gesehen. Die Gestalten, die mich quälen, gleiten nicht in Spitzenkleidern durch die Gegend, heulen nicht vor Trauer in der Nacht.
    Doch vielleicht habe ich mich auch geirrt. Ich habe mich nicht geirrt, und außerdem ist da noch das Akkordeon und das, was Leif erzählt hat, auch wenn ich nicht verstehe, warum er ausgerechnet zu Leif gegangen ist. Er war es. Aber was will er eigentlich? Worauf wartet er?
    Ich gehe im Regen den Beverveien hinauf, stelle den Kragen der Lotsenjacke auf und spüre, wie mir das Wasser aus den Haaren in den Nacken läuft, die Sonne bricht durch die Wolken, und auch wenn sie tief steht, ist es wie im Frühling, nur kälter. Ich könnte jetzt eine Waldwanderung machen, vom Gipfel des

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