Ist Schon in Ordnung
Slettaløkka tiefer in den Wald zum Alunsjø laufen und am Breisjø entlang nach Ammerud. Das mache ich oft, es ist eine schöne Tour, wenn man schnell geht. Ich gehe gern schnell. Aber diesen Weg kann ich nicht mehr gehen.
Vor dem Narvesenkiosk an der U-Bahn-Haltestelle steht Arvid und kauft Tabak. Er ist gerade aus der Bahn gestiegen und hat den Schulrucksack noch auf dem Rücken. Ich lehne mich an eine der Säulen unter der Brücke und warte, bis er fertig ist. Seit unserer Spritztour am Sonntag habe ich ihn nur in der Schule gesehen. Wir haben kaum ein Wort miteinander gewechselt, das ist ganz ungewöhnlich, und er lächelt verlegen, als er sich umdreht und mich dort stehen sieht.
»Hallo«, sagt er. »Du warst heute nicht in der Schule, hast du schon hingeschmissen?«
»Wir waren auf dem Friedhof.«
Er nickt, dann frage ich:
»Wie ist es mit der Autotür gelaufen?«
»Vattern war natürlich ziemlich wütend. Aber jetzt ist sie lackiert und repariert.«
»Was hat es gekostet?«
»Hundert Kronen. Aber ganz ruhig, ich habe gesagt, dass es meine Schuld war, also zahlt Vattern.«
»Kommt gar nicht in Frage. Es war meine Schuld.« Ich zücke meine Brieftasche und nehme hundert Kronen heraus. Ich habe gerade das Zeitungsgeld bekommen. Meine Mutter muss auf ihren Teil noch etwas warten. »Hier«, sage ich.
»Lass stecken, Audun, das ist nicht nötig.«
»Man muss seine Rechnungen bezahlen, alles andere ist nicht okay. Jetzt nimm das Geld, ich schaff das schon.« Er nimmt den Schein, faltet ihn zusammen und steckt ihn in die Hosentasche.
»Du schmeißt die Schule also nicht hin?«
»Das ist eine ganz andere Sache. Kommst du mit?«
»Wohin?«
»In den Wald schon mal nicht. Vielleicht in die Stadt oder in die Kneipe.«
»In die Kneipe? Ich dachte, du hasst Kneipen?«
»Es ist ja noch früh, von den Idioten ist jetzt noch keiner da. Ich habe Lust auf ein Pils. Nach so einem Tag.«
Arvid grinst. »Warum nicht«, sagt er, »ist ja Freitag.«
Wir betreten das Einkaufszentrum von der oberen Seite, vom Platz aus, und gehen auf die Kneipentür zu. Arvid hat den Rucksack in der Hand, damit er nicht wie ein Schuljunge aussieht, und wir öffnen die Tür und gehen hinein und setzen uns an einen Tisch ganz hinten im Lokal.
»Eigentlich bin ich blank«, sagt er, »aber wenn ich alles zusammenkrame, reicht es vielleicht für ein Bier.«
»Scheiß drauf, ich geb einen aus.« Ich bestelle zwei Pils. Bei Alkohol muss man gewisse Dinge beachten. Man sollte nie allein trinken, nie am Sonntag, keinen Tag vor sieben, am besten nur samstags, und hat man einen Kater, dreht man eine Runde im Wald, man darf ihn nie mit Alkohol bekämpfen. Dann ist man ein Säufer, das wissen alle. Bist du ein Säufer, hast du keine Kontrolle. Hast du keine Kontrolle, bist du fertig. Dann ist das restliche Leben eine Wanderung durch das finstere Tal. Dann bist du ein Problem, das andere loswerden wollen. Sie weichen dir auf der Straße aus, zucken hinter Konservendosen zusammen, wenn du im Laden Bier kaufst. Die Kassiererin fertigt dich schnell ab. Und dann stirbst du, und keinen interessiert es.
Es ist nicht Samstag und noch längst keine sieben, aber ansonsten sind wir auf der sicheren Seite, und nach dem ersten Schluck fühle ich mich gut. Arvid lächelt und wischt sich den Schaum von der Oberlippe.
»Das tut gut«, sagt er. »Das sollten wir öfter machen. Schade, dass wir nicht mehr Geld haben, dann könnten wir noch ein paar trinken.«
»Du hast hundert Kronen«, sage ich.
»Das stimmt«, sagt er und lächelt breit.
7
I ch wache auf und habe zum ersten Mal seit dem Unglück von Egil geträumt. Im Traum stehen wir auf gefällten Baumstämmen am Ufer der Glomma und angeln mit ganz neuen Spinnangelruten. Wir haben sie zu Weihnachten bekommen und noch nicht ausprobiert. Es könnte Ostern sein. Die silberfarbenen Spulen blinken in der Sonne, und Egil sieht genauso aus wie letztes Jahr. Ich weiß, dass er tot ist, aber es spielt keine Rolle. Die Sonne scheint, und am Fluss ist es ganz still, vor uns im Wasser sind Strudel und weiter oben ist eine flache Stromschnelle, und trotzdem hören wir nichts. Es ist schön. Egil lächelt und wirft die Angel weit aus, er ist zufrieden, und ich erwidere sein Lächeln. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je so ruhig gesehen zu haben, sein Gesicht ist glatt und weich. Er ist entspannt, weil er weiß, dass er nicht mehr lebt, weil er nie mehr Ärger bekommen wird. Das macht mich ebenfalls ruhig.
Es ist
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