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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Winkel zur Straße etwas unterhalb des Gebäudes, in dem Låke früher seinen Lebensmittelladen hatte. Der Ladenist jetzt geschlossen, drinnen an den Fenstern sind Platten aus Pappe, und man kann sich darin im Vorbeigehen spiegeln. Links ziehen sich Felder den Hang hinauf zum Gutshof Bredtvet, wo Hans Nielsen Hauges Statue steht, in der Senke am Condom Creek lag die Sonntagsschule, und hinter einem Hügel vor dem Østre Aker Vei gab es vor ein paar Jahren eine Sprungschanze. Dort bin ich einmal achtzehn Meter weit gesprungen und mit der Wange zuerst gelandet. Vier Stiche.
    Der Vater steht groß und dünn vor der Tür im Erdgeschoss und wartet, er schaut die Straße hinauf, und als er uns kommen sieht, läuft er los. Am ersten Haus kommt er uns entgegen, seine Augen sind vor Schlafmangel ganz rot, und mit einem Jesus! reißt er mir Tommy aus den Armen, sieht mich nicht an und rennt die Straße hinunter. Seine langen Beine torkeln, er ähnelt einem Storch mit einem Riesenbaby im Schnabel, und Tommys Beine baumeln an seiner Hüfte herunter.
    »Ihr solltet vielleicht einen Arzt rufen«, sage ich zu der Schwester, »er ist nicht ganz auf der Höhe.« Sie nickt, und ohne Tommy fühle ich mich nackt. Ich drehe mich um und schaue die Straße hinauf.
    »Ich glaub, ich muss los, sonst werden die Abonnenten sauer.«
    »Ich weiß«, sagt sie und lächelt zaghaft, schlingt die Arme um mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank«, sagt sie. Meine Hände hängen einfach herab, es gibt nirgendwo einen Platz für sie, und sie lässt mich los und rennt die Straße hinunter ihrem Vater hinterher.
     
    Als ich wieder zu meinem Wägelchen komme, steht der alte Abrahamsen da und trippelt auf der Stelle, schaut nachrechts und nach links, und dann erblickt er mich unten am Veitvet-Wasserfall und ruft von weitem:
    »Kann ich mir eine nehmen?«
    »Na klar!«, rufe ich zurück, obwohl ich jetzt näher bei ihm bin und es ganz still ist.
    »Verdammt«, sagt er, »ich verpasse den Bus.« Er ist wütend, aber er rührt sich nicht von der Stelle, ich weiß nicht, was er will, und fühle mich plötzlich müde.
    »Gehen Sie schon, oder lesen Sie das Arbeiderbladet , keine Ahnung, ich kann hier jedenfalls nicht stehenbleiben.« Ich nehme das Wägelchen und gehe los, und schon ist er wieder freundlich.
    »Du, Audun«, sagt er, und ich drehe mich um, und er sagt: »Du, Audun, ich sehe dich jetzt schon seit mehreren Jahren beim Zeitungaustragen, und ich frage mich gerade, wie es dir eigentlich geht.« Er errötet, der alte Mann, und ich erröte ebenfalls, ich weiß nicht, was ich auf eine solche Bemerkung sagen soll, darum zucke ich mit den Schultern und bleibe abwartend stehen. Er fährt sich über das Kinn, die Bartstoppeln knistern.
    »Ja, ja, sollte mal was sein, weißt du ja, wo ich wohne.« Er grinst erleichtert, hat gesagt, was er sagen wollte. Er schlägt die Zeitung auf und hat plötzlich viel Zeit und geht gemächlich den Berg hinauf auf das rote Telefonhäuschen zu, und ich denke, diesen Mann verstehe ich nicht. Er liest im Gehen, er muss Fühler haben oder Tonsignale wahrnehmen wie Fledermäuse in der Nacht, denn er weicht Pfosten und Büschen am Straßenrand aus, ohne auch nur ein einziges Mal aufzuschauen.
    Ich bringe den Veitvetsvingen hinter mich, so schnell ich kann, dann bin ich wieder im Grevlingveien. Mehrere Leute stehen auf der Treppe und warten und sind verärgert, aberich sehe sie nicht an, sage nicht Entschuldigung oder etwas in der Art, drücke ihnen nur die Zeitung in die Hand und gehe schnell weiter. Am Ende der Runde, am letzten Reihenhaus, steht Frau Karlsen vor der Tür. Sie trägt ein schickes Kleid, ihre Schultern sind von der Sommersonne noch braun, sie leuchten matt und warm, als käme sie direkt aus dem Bett, und ich habe mir dieses Bett viele Male vorgestellt, habe mir diese Haut vorgestellt, die ich jetzt sehe, ihr Bett, groß wie ein Zimmer, und ihre Hände überall und meine Hände überall dort, wo es weich und anders ist, und Frau Karlsens schwindelerregender Duft, aber ich sehe sofort, dass etwas nicht stimmt, denn ihr Arm ist ganz steif, als sie sich durch die Haare fährt, und ich würde am liebsten umkehren. Das kann ich aber nicht, schließlich muss ich die Zeitung zustellen, das ist mein Job, und ich gehe langsam über den Plattenweg.
    »Sieh mal einer an, da haben wir ja unseren Speedy Gonzales«, sagt sie. Ihr Mund ist auf eine Weise verzerrt, wie ich es bisher noch nicht gesehen habe,

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