Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
    In den meisten Beziehungen aber läuft es nicht so dramatisch destruktiv ab. In den meisten Beziehungen gibt es eine große Anziehung, weil der andere Mensch etwas hat, was ich zu meinem Wohlbefinden brauche. Was auch immer. Dann werden wir ein Paar. Und leider finden viele Partner irgendwann genau das abstoßend, was sie vorher angezogen hat: der ruhige haltgebende Partner, der seine Frau hinterher anödet, weil er so trocken und langweilig ist. Die lebendige quirlige Frau, die ihn hinterher wahnsinnig macht mit ihrer Emotionalität. Der Status gebende Geldverdiener, der hinterher immer viel zu viel arbeitet. Die das männliche Renommee
erhöhende Sexbombe, die kein interessantes Gespräch führen kann. Es sind Klischees, aber so oder ähnlich kennen wir uns selbst oder einige andere Paare.
    Über diese Paarverbindungen haben sich Generationen von Psychotherapeuten Gedanken gemacht und dazu Theorien entwickelt. Jürg Willi zum Beispiel hat von Paarkollision gesprochen. Michael Cöllen hat unterschiedliche Partnertypen entwickelt, die einander auf die eine oder andere Weise ergänzen. Die auf der Neurosenlehre basierenden Psychotherapeuten haben festgestellt, dass sich Partner aufgrund ihrer persönlichen neurotischen Störung finden. Spirituell orientierte Psychologen sagen, dass du dir immer den Partner suchst, den du aufgrund deiner Ängste, Sehnsüchte, Persönlichkeitsentwicklung brauchst, um wachsen zu können. Meine Freundin Nana Nauwald, Buchautorin und ein kleiner schamanischer Wirbelwind, sagt dazu allerdings: Man muss nicht unbedingt durch Schmerzen wachsen.
    Ich glaube, keine dieser Auffassungen ist komplett von der Hand zu weisen, und letztlich laufen sie alle auf das Gleiche hinaus: Es hat irgendetwas mit dir selbst zu tun, dass dieser Mensch einmal für dich komplett anziehend war und dich jetzt abstößt. Allerdings meine ich, dass die Gründe dafür vielschichtig sind. Meine Zulassungsprüfung, um mich als Psychotherapeutin niederlassen zu dürfen, habe ich beim Gesundheitsamt vor einer Therapeutin gemacht, die psychoanalytisch orientiert war. Sie fragte mich: Welchen Partner wählt eine Hysterikerin? Und sie wollte als Antwort haben: den Zwanghaften. Ich allerdings hatte in der Arbeit mit Paaren die Erfahrung gemacht, dass die Kombinationen extrem vielfältig sind. Es gibt Menschen, die sich den gleichen suchen. Ich nenne jetzt mal gar nicht die psychologischen Fachbegriffe wie zwanghaft und hysterisch oder die moderneren Diagnosebegriffe, sondern die, unter denen sich alle etwas vorstellen können: superemotional zu superemotional. Sachlich zu sachlich. Kontrollierend zu kontrollierend. Und
so weiter. Manche esoterische Schulen nehmen das sogar als Regel: Du suchst dir immer den Partner, der genauso ist wie du.
    Aber ich kenne auch die anderen Paare: superemotional zu komplett sachlich, kontrollierend zu absolut intuitiv, planend zu in den Tag lebend. Ich kenne auch die Paare, die ständig wechselnd sind. Mal ist er wahnsinnig emotional und sie eher sachlich und umgekehrt.
    Ihr habt mich verstanden. Ich kann jetzt gar nicht alle Paarkombinationen aufzählen. Ich finde, sie sind so wahnsinnig vielfältig, dass ich mich immer erst auf die Suche machen muss, was bei diesem Paar die Anziehungs- und was die Abstoßungskraft ist. Wie können sie miteinander wachsen?
    Und manchmal passiert es eben auch, dass Paare sich einfach bei der Wahl des anderen irren, dass der Wunsch und die Sehnsucht so groß waren und die Zeit in der Wüste so lang, dass fast jeder wie die Oase erscheint. Dann ist es gut, den Irrtum möglichst bald zu erkennen und Konsequenzen zu ziehen. Ohne Vorwurf und ohne schlechtes Gewissen. Auf jeden Fall ist es sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, was du anfangs so besonders anziehend fandest am andern und was dich heute total abstößt.
    Mir fällt dazu die Geschichte von Daniel und Svenja ein. Er ist Werbekaufmann. Immer freundlich, gesellschaftlich aktiv, er hat Freunde, ist gepflegt, auf Etikette bedacht. In seiner Herkunftsfamilie war die Mutter Heimchen am Herd und der Vater ein erfolgreicher angesehener Geschäftsmann, der seine drei Söhne früh schon mit Kultur, Goethe, Beethoven usw. fütterte. Leistung und Kultiviertheit, das zählte. Daniel lernte früh, dass Spaß und Leichtigkeit nur außerhalb der Familie anzusiedeln waren. Erst bei einem Amerikaaufenthalt entdeckte er richtige Freiheit. Dort fuhr er mit dem Motorrad wie Easy