Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
glücklich zu machen, aber befürchtete, es nie erreichen zu können, weil ihm immer etwas fehlte. Endlich konnte er sagen, dass es bei ihm Panik auslöste, wenn sie ihn kritisierte. Dass das zumeist kleine unwesentliche Verhaltensmuster betraf, die er im Grunde schnell hätte verändern können, konnte er gar nicht sehen. Er empfand es als Infragestellung seiner gesamten Person.
Anna ist eine bildhübsche junge Schauspielerin, groß, schlank, kurvig, ein totaler Männermagnet. Ihr Freund ein kleiner, nicht besonders attraktiver Schauspiellehrer. Ihr Schauspiellehrer. Fünfzehn Jahre älter als sie. Sie himmelte ihn an. Für sie war er groß, wunderschön und anbetungswürdig. Das war für ihn natürlich eine große Freude. Nur leider war er schon so alt, dass er bereits andere Erfahrungen gemacht, auch manchmal in den Spiegel geschaut hatte. Allerdings wäre er gern anbetungswürdig gewesen. Also baute er sich unablässig auf, unter anderem durch die Bewunderung
junger Schauspielschülerinnen. Um sich selbst wirklich groß zu fühlen, machte er Anna klein. Als sie zu mir kam, fand sie sich hässlich, dumm, unbegabt und entsetzlich kompliziert. Sie fand meine Idee absurd, dass ihr Freund sie derart klein hatte machen müssen, weil er sich neben ihr selbst so klein vorkam.
Gitte und Robert kamen zu mir in einer heftigen Krise. Er ist acht Jahre jünger als sie, er ist dreißig und sie achtunddreißig. Sie haben ein gemeinsames Kind. Nachdem die Kleine geboren war, gab es in der Beziehung laufend Streit. Gitte kümmerte sich nur noch um das Kind. Robert fühlte sich vernachlässigt. Er war voller Lust auf Sex und Feiern. Sie war eine ängstliche überfürsorgliche Mutter geworden. Vor zwei Jahren hatten sie sich getrennt, obwohl sie sich liebten. Vor ein paar Monaten hatte sie einen anderen kennengelernt und ihren Sohn für ein Wochenende zu Robert gegeben, um mit diesem neuen Mann allein zu sein. Robert war dahintergekommen und vollkommen durchgedreht. Nach diesem Wochenende war Gitte klar, wie sehr sie Robert noch liebte, und ihm war klar, dass er die Beziehung wieder wollte.
Auf die Frage: Was für ein Paar sind wir eigentlich?, wurde deutlich, wie sehr die Reaktion der Außenwelt sich negativ auf die Beziehung ausgewirkt hatte. Robert hatte sich immer minderwertig als der Kleine neben Gitte gefühlt. Er studierte noch, während sie schon Geld verdiente. Er hatte weniger Erfahrungen. Er konnte ihr nicht den Halt bieten, den ihre Eltern sich für ihre Tochter wünschten. Und Gitte traute ihm nicht so viel zu, wie es nötig gewesen wäre, damit ihr Kind Vertrauen zu seinem Vater entwickeln konnte. Gitte meinte, alles allein machen zu müssen, trug sogar oft noch die Verantwortung für Robert.
Vier Paare. Zwei davon sind auseinandergegangen. Jetzt wüsstest du wahrscheinlich gern, welche.
Anna hat sich getrennt. Und sie ist langsam wieder aufgeblüht. Interessanterweise hat ihr Freund sich als nächste
Freundin keine Schauspielschülerin gesucht, sondern eine gleichaltrige Frau, im Kunstbetrieb tätig, erfahren und selbstbewusst. Ganz offensichtlich hatte er etwas gelernt, nämlich, dass es ihm guttäte, konfrontiert zu werden.
Marianne hat sich getrennt. Die langen Zeiten der Verlassenheit neben ihrem Mann hatten so tiefe Narben in ihr hinterlassen, dass sie eine zu große Sehnsucht nach einem Mann hatte, der auch im Konfliktfall bei ihr blieb. Gert litt zwar unter der Trennung, aber er war nicht bereit, sich mit seinem Anteil an dem Beziehungsdesaster wirklich auseinanderzusetzen. Selbstreflexion betrieb er nur zur Selbstbestätigung, Selbstkritik war ihm zu riskant. Sich ehrlich seinen Defiziten zu stellen und zu wachsen verweigerte er. Stattdessen verlangte er von Marianne, dass sie sich kleiner machen sollte.
Die Müllers blieben zusammen. Irgendwie. Auf die gleiche Weise. Sie blieb dick, und er blieb unehrlich. Sie hatte die Kinder als Bollwerk gegen ihn. Er hatte seine erfolgreiche Arbeit und seinen Sport und seine Geheimnisse.
Gitte und Robert wurden ein glückliches Paar. Gitte lernte, dass Robert ihr sehr wohl Halt geben konnte, dass sie loslassen und sich anvertrauen konnte. Robert lernte, dass er mit dreißig durchaus ein verantwortungsvoller Mann und Vater sein konnte, auch wenn das Ganze vielleicht etwas früh begonnen hatte. Gitte lernte, dass sie nicht ständig erfüllen musste, was andere von ihr erwarteten, und sich auch einfach dem Moment hingeben konnte. Robert lernte, dass Sexualität nicht
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