Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
geführt. Aber ein Gewalttäter, der sich nicht mit seiner Schuld konfrontiert
und nicht die volle Verantwortung übernimmt, wird es wieder tun.
Wer auffährt, hat immer Schuld! Wer auffährt, muss zahlen!, habe ich schon ganz früh in der Fahrschule gelernt. Da nützt es nicht zu sagen, der andere hat mich gereizt, und ich konnte einfach nicht an mich halten, ich musste auffahren. Kein Mensch sagt: Wieso ist das Auto auch so verletzlich, dass es jetzt kaputt ist, ich habe es doch nur ganz leicht berührt? Und Fahrerflucht ist strafbar, auch wenn man sagt, es ging einem grad nicht gut. Ausreden gelten nicht. Alle Erklärungen wie: Es war doch nur ein bisschen, du musst mich so nehmen, wie ich bin, ich habe es nicht so gemeint, du hast mich dazu gebracht, wenn du nicht dies oder das getan hättest, dann … , sind letztlich Selbstbetrug.
Klar, wenn das Auto nicht da gewesen wäre, wäre ich nicht draufgefahren. Aber wahrscheinlich auf ein anderes, und das zeigt sich ja auch in Beziehungen: Jemand, der einen Partner auf die eine oder andere Weise verletzt, tut es beim nächsten wieder, vorausgesetzt, er hat sich nicht damit auseinandergesetzt, denn nur dann kann der Teufelskreis von Schuld, Scham, schlechtem Gewissen und Ablehnung der Verantwortung durchbrochen werden.
Menschen haben es so an sich: Wenn sie einen anderen verletzen und nicht die Verantwortung dafür übernehmen, fühlen sie, dass etwas nicht stimmt und bauen sich ein Legitimationsgerüst. Sogar in den Prozessen gegen Naziverbrecher kamen diese Argumente: Ich konnte nichts dafür. Als das Legitimationskonzept für ihre Gewaltakte nicht mehr galt, nämlich dass es Untermenschen gibt wie Juden, Kommunisten, Sinti, Behinderte und dass diese nicht wie Menschen behandelt werden müssen, hielten sie sich an ein anderes: Es gab einen über mir, der hat Schuld.
Eltern, die Kinder schlagen, missbrauchen usw., bauen darum eine Legitimation. Nachträglich konfrontiert mit der Zerstörung, die sie angerichtet haben, sagen viele: Es war ja
nicht so häufig, ich habe es nicht besser gewusst, es war damals so, das stimmt ja gar nicht. Wobei
Letzteres
das Übelste ist, denn es erklärt das Opfer für wahrnehmungsgestört oder zum Lügner. Selbst bei sexuellem Missbrauch behaupten viele Täter: Sie hat es doch selbst gewollt.
Fast jede Liebeskrise geht auf eine Enttäuschung oder Verletzung zurück. Und darauf, dass der Täter nicht sagt: Oh, das tut mir furchtbar leid! Wie konnte ich mit meinen unachtsamen großen Füßen da nur so blöde drauftrampeln? Wenn du einverstanden bist, gebe ich dir eine Fußmassage und putze deine Schuhe. Stattdessen bleibt das Opfer mit dem Schmerz allein, wird abgewehrt, abgewertet, ausgelacht oder übersehen – es gibt sogar Opfer, denen das seit ihrer Kindheit so oft passiert ist, dass sie gar nicht mehr »Aua!« schreien. Sie schlucken den Schmerz runter. Es gibt sogar nicht wenige, die sich selbst entschuldigen und dem Täter ihrerseits eine Fußmassage anbieten. Und all das andere, das sie selbst so dringend bräuchten.
Manche Opfer glauben, sie leisteten dem Täter einen Liebesdienst, wenn sie ihn entlasten. Sie sagen: War doch nicht so schlimm!, aber ihr Herz brennt vor Schmerz. Oder sie sagen: Ach, mach dir um mich keine Sorgen!, dabei verbringen sie selbst schlaflose Nächte mit lautlos geweinten Tränen. Doch all das leistet dem Täter keinen wirklichen Dienst.
Zwar lässt sich nicht leugnen, dass es Menschen gibt, Täter, die einen anderen verletzt haben und die es wirklich schaffen, sich dadurch nicht belastet zu fühlen. Aber selbst diese Menschen können wachsen, sich entwickeln, reicher werden, und dann würde deren Seele aufatmen. Opfer, die nicht aufschreien, berauben den Täter der Chance, etwas zu merken und etwas gutzumachen, letztlich der Chance zu wachsen.
In den meisten Fällen reagiert das Opfer nicht so freundlich, dass es sagt: Übrigens, du hast mir eben gewaltig wehgetan,
ich erwarte von dir, dass du dich damit auseinandersetzt, die Verantwortung übernimmst und dafür sorgst, dass es wieder gut wird. Nein, die meisten Opfer reagieren mit Wut, Hass, Rachegelüsten, Entzug von Vertrauen, von Lust und Liebe. Und bei der nächsten Gelegenheit schlagen sie zurück. Oder treten. Oder erwürgen klammheimlich die Liebe in sich. Oder stoßen ihrem Partner von hinten das Messer in den Rücken. So beginnt die Täter-Opfer-Spirale. Die ist mörderisch.
Vor ein paar Jahren kam ein Paar, Hans und Gertrud, zu
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