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Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten

Titel: Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Vesper
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mir, das mich von vornherein erschreckte, weil es so maskenhaft aussah. Es wollte seine Beziehung »aufarbeiten«. Das kam mir seltsam vor, es klang, als hätten sie viele Stunden in der Schule versäumt und müssten nun nicht nur den Stoff nacharbeiten, sondern auch noch nachsitzen. Und so war die Stimmung auch.
    Hans hatte seine Frau Gertrud auf eine hässliche Weise verlassen: Er hatte sie zur Schule gefahren, wo sie als Lehrerin arbeitete, und sogar noch Verabredungen mit ihr für die nächsten Tage und Wochen getroffen. Dann war er in seine neue, bereits heimlich angemietete Wohnung gefahren, hatte mit seiner heimlichen Geliebten telefoniert und über die Trennung von seiner Frau geweint. Das klassische »Ich geh mal eben Zigaretten holen«. Danach war er weg.
    Gertrud hasste ihn, aber sie wollte ihn mit Hilfe der Therapie zurückholen. Hans hasste sie, aber er fühlte Schuld wegen seiner feigen Verlogenheit und war deshalb bereit zur Therapie. Es musste wirklich einiges aufgearbeitet werden. Sie hatten in den vergangenen Jahren sukzessive gegenseitig als Opfer und Täter ihre seelische Integrität und ihre Liebe zerstört.
    Es hatte damit begonnen, dass sie zu seinen am Anfang der Ehe noch kleinen Töchtern über die Maßen streng und rechthaberisch gewesen war und auf eine klassische Stiefmuttermanier ihren eigenen Sohn bevorzugt hatte. Er hatte
sich heimlich mit seinen Töchtern gegen sie verbündet. Sie hatte sich auch ihm gegenüber sehr dominant verhalten. Das Schlimmste aber: Sobald er nicht tat, was sie wollte, richtete sie es gegen seine Töchter, die von ihr extrem abhängig waren, weil ihre leibliche Mutter sie verlassen hatte, um mit einem anderen Mann auszuwandern, als die jüngere Tochter gerade mal ein Jahr alt war.
    Hans hatte sich in den Jahren der Ehe mit Gertrud zum Heimlichtuer entwickelt. Gertrud war zur Furie geworden. Er brauchte sie als Mutter seiner Töchter, und er hasste sie als Mutter seiner Töchter. Sie brauchte ihn als Erhöher ihres gesellschaftlichen Status – er war ein erfolgreicher Unternehmer –, und sie hasste ihn dafür. Beide entwickelten eine demonstrative Perfektion in allen möglichen Rollen: Vater, Mutter, Lehrerin, Chef, Geldverdiener, Hausfrau, Gartengestalter usw., aber Liebe und Anerkennung verweigerten sie einander. Vor allem aber verweigerten sie einander ein offenes Wort über das eigene Elend und die große Sehnsucht nach etwas anderem.
    Es war sehr traurig, mit ihnen zu arbeiten. Ich habe nur selten ein Paar in Therapie gehabt, wo die Frau derart verurteilend, vernichtend und hasserfüllt über ihren vor ihr sitzenden Mann sprach. Und wo ein Mann unter der Last seiner Schuld, die er aus Feigheit auf sich geladen hatte, fast zerbrach. Es war gruselig anzuschauen, wie diese beiden Menschen sich in der Hass-Liebe-Spirale gegenseitig und vor allem ihre Liebe zerstört hatten.
    ◉
    Nimm einen Rucksack oder eine alte schäbige Tasche und pack Symbole für alle Altlasten ein, die du in deiner Beziehung mit dir herumträgst. Ihr habt es im letzten Kapitel schon durch die Altlastenliste vorbereitet, jetzt wird es vertieft und das Verzeihen vorbereitet.

    Setzt oder stellt euch an die gegenüberliegenden Wände des Raumes hin. Nun breite deine Symbole auf dem Weg
zwischen euch aus. Schaut euch an, was da liegt. Es liegt zwischen euch, es verbaut euch den Weg zueinander.

    Nimm Stück für Stück auf und erklär deinem Partner, was es bedeutet. Was es mit dir gemacht hat. Wie du die Verletzung mit dir herumträgst, wo und wie sie sich körperlich zeigt.
    Ihr solltet euch dafür ein Wochenende Zeit nehmen. So hat jeder Partner einen Tag für sich. Am besten gebt ihr die Kinder weg, trefft euch vielleicht sogar in einem Hotel oder im Wald oder auf einer Wiese.
    Das Opfer darf so lange reden und weinen, wie es braucht. Aber macht immer nach zwei Stunden eine Pause, in der am besten jeder von euch beiden allein ist und schweigt. Ein Symbol sollte aber zumindest abgeschlossen sein.
    Das Opfer darf reden. Darf fragen. Der Täter muss standhalten. Muss den Schmerz verstehen wollen. Die Täterschaft aushalten. Das ist entsetzlich schwer, ich weiß. Das Opfer wird gefragt, was es braucht, damit es wiedergutgemacht wird. Aber angeschaut, bearbeitet wird der Reihe nach. Ein Tag der eine, ein Tag der andere, oder ein Wochenende der eine, das nächste der andere.
    Oft ist Opfer-Täter-Sein ineinander verflochten. Die Opfer-Täter-Spirale setzt sich meist von ganz allein

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