Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
noch zu malen beginnt und erwartet, dass er ihr ein Atelier finanziert, sagt er: Ich bleibe auf der Strecke. Das ist ungerecht.
Das Dumme ist, dass der Partner sich meist gar nicht »im Unrecht« fühlt. Der Eifersüchtige findet seine Gründe im Verhalten des Partners, die Reiselustige sieht keinen Sinn darin, zu Hause zu hocken, während der Partner auf der Arbeit ist, die Frau, die immer für die Kinder da ist, findet es völlig angemessen, dass sie am Wochenende einmal etwas anderes unternimmt und der Mann bei den Kindern bleibt, derjenige, der das Geld verteilt, ist meist derjenige, der es auch verdient usw. In Gesprächen über solche Themen fallen oft Worte wie zickig, kleinlich, rechthaberisch.
Um etwas vergessen zu können, braucht es neue Erfahrungen. Die alten Bilder im Gehirn müssen durch neue, bessere ersetzt werden. Bei »Gerechtigkeit« ist das relativ einfach: Der zu kurz gekommene Sören hat Zeit und Energie investiert, um etwas zu finden, das ihm selbst außerhalb seiner harten Arbeit Freude und Befriedigung gibt. Der Freund, dessen Frau immer reist, will sich mit fünfzig pensionieren lassen und dann nur noch reisen. Das Paar, bei dem die Frau
krankhaft eifersüchtig ist, ist in Therapie gegangen, um zu schauen, was wirklich passiert. Eine Frau, die sich bei der Geldverteilung ungerecht behandelt fühlt, hat ein Taschengeld ausgehandelt, das nur ihr gehört. Da kann also jeder für sich selbst tätig werden und Ausgleich schaffen.
Vorm Vergessen kommt das Verzeihen. Wer etwas »vergisst«, ohne es verziehen zu haben, erlebt meistens unangenehme Überraschungen, denn es wurde ja von beiden nichts bewältigt. Halten wir also fest: Bevor wir etwas, das wir als traumatisch erlebt haben, vergessen können, müssen wir verzeihen. Und neue Erfahrungen machen.
Was brauchen wir zum Verzeihen? Als Erstes ist
Anerkennung
erforderlich. Dein Partner braucht oft nicht einmal die Anerkennung, dass du ihm Unrecht zugefügt hast, aber die Anerkennung, dass er sich verletzt fühlt und du bereit bist, dich damit zu beschäftigen und dafür zu sorgen, dass ihm
Ausgleich
zukommt. In diesem Augenblick entspannt sich meistens schon der Verletzte, weil er sich wahrgenommen und respektiert fühlt. Was brauchst du, um dich besser zu fühlen? Was brauchst du, wenn du arbeitest und ich verreise? Was brauchst du, damit du dich bei der Geldverteilung nicht benachteiligt fühlst? Was brauchst du, um ungerechtfertigte Eifersucht verzeihen zu können?
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Wodurch fühltest du dich in deiner Kindheit ungerecht behandelt?
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Wodurch fühlst du dich in deiner Beziehung ungerecht behandelt?
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Gibt es da einen Zusammenhang?
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Wie bist du als Kind gegen die Ungerechtigkeit vorgegangen?
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Wie verhältst du dich heute?
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Kannst du dir ein konstruktiveres Verhalten vorstellen?
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Bist du zufrieden mit deinem Verhalten? Wie verhältst du dich, wenn dein Partner dir Ungerechtigkeit vorwirft?
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Die gleichen Fragen kannst du dir jetzt stellen zu:
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Kränkung
•
Verletzung
•
Verrat
•
Betrug
Der Weg ist immer der Gleiche:
Anerkennen
um Verzeihung bitten
Ausgleich herstellen
Wiedergutmachen
Schauen wir uns als Nächstes die Schwierigkeit des
Loslassens
an. Es wird immer so leicht gesagt: Nur was du loslässt, kannst du behalten. Es klingt wie ein Widerspruch. Und das ist es ja auch. Beim Loslassen muss ich die Hand öffnen, beim Halten muss ich sie schließen. Sonst entgleitet es meinen Händen, und ich lasse vielleicht nicht nur los, sondern fallen. Und das zumindest ist etwas, das sich keiner wünscht: fallengelassen zu werden. Versuchen wir also, genau zu sein.
Es geht um Verzeihen. Um das Loslassen der Gekränktheit, Verletztheit, all der unangenehmen Gefühle, die damit verbunden sind. Keine Rachegelüste mehr, keine Wut, kein nagender Schmerz, keine Angst vor der Zukunft, die den Atem raubt wie eine auf der Brust liegende Bleiplatte. Alles weg! Ist das nicht wundervoll? Nur leider ist das Scheitern vorprogrammiert. Und auf die Kränkung des Selbstwertgefühls durch das Erleiden einer Verletzung folgt die nächste durch das Scheitern an sich selbst. Nein, alles braucht seine Zeit. Auf die Verletzung folgen Wut und Trauer und Rachelust und das Gefühl von Bodenlosigkeit. Wer sich das nicht erlaubt, verbietet sich das Menschsein. Trotzdem ist am Loslassen etwas dran, aber »mit Geduld und Spucke«, wie man in Hamburg sagt. Loslassen bedeutet als Erstes, sich in den Prozess der
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