Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
dass es jemals wirklich gut wurde, ohne dass eine Veränderung erkennbar war, vergeben. Ich fand das seltsam. Sie selbst auch. Und letztlich auch er.
Eines war mir aber von Anfang an völlig klar: Sebastian wollte diese Ehe, obwohl er alles tat, um sie zu gefährden. Und obwohl die Frage für jeden auf der Hand lag, warum er nicht zu einer der Frauen ging, die seinem Frauenbild entsprachen und bereit für »Schweinereien« waren, mit der er sich täglich hätte ausleben können. Er sagte, dass er Susanne liebe. Na gut, aber wer will schon so geliebt werden?
Der Weg, den die beiden gingen, war steinig. Susanne konfrontierte ihn mit allen Verletzungen, die er ihr zugefügt
hatte, er drehte und wand sich und wollte seine Scham und Schuld nicht spüren. Er bekam Magenschmerzen, Herzbeschwerden und benutzte das, um weiterhin auf sich selbst bezogen zu bleiben. Die Stunde der Wahrheit war für beide hart: Er offenbarte sein Verhältnis mit der Frau von Susannes Freund. Susanne brach zusammen, aber dann kam Leben in sie, die sich bis dahin mit Bücherlesen, Freundinnentreffen, Kinderversorgung und Arbeiten gerettet hatte. Sie wurde wahnsinnig wütend. Sie empfand Hass. Sie entwickelte Rachephantasien. Sie beschimpfte Sebastian. Und sie hatte wieder Lust auf Sex. Das alles flachte natürlich wieder ab und wich einem tiefen Misstrauen.
Beide mussten sich mit ihrer eigenen Identität beschäftigen. Beiden fehlte etwas. Sebastian war in einer Familie groß geworden, in der Empathie und Ethik nicht vorgelebt worden waren. Seine Eltern waren vor allem auf ihr Vergnügen aus gewesen. Sie gingen viel aus, reisten, machten Ausflüge, hatten eine stürmische Paarbeziehung mit Alkohol, Sex, lautstarken Streits bis hin zu Handgreiflichkeiten. Die Kinder wurden alleingelassen, lebten in einer von egozentrischen Erwachsenen bestimmten Welt, in der der Vater nur eine Orientierung gab: Verdien viel Geld, amüsier dich, betrüg deine Frau, sei ihr Lebenszentrum!
Die Mutter, eine kreative, kluge Frau, war vollkommen auf ihren Mann fixiert, liebte ihn, hasste ihn, kreiste um ihn und war nicht in der Lage, ihren Söhnen Geborgenheit und Wärme zu geben. Sebastians Kindheitserinnerungen waren durch nächtliche Angst vor dem Alleinsein und vor den Streits der betrunken nach Hause kommenden Eltern geprägt. Er war früh auf sich allein gestellt, versagte in der Schule, brach sie ohne jeden Abschluss ab. In der Pubertät begannen die Kicks, die ihn Einsamkeit und Angst vergessen ließen: Sex, Autos, kleine kriminelle Delikte. Er hatte seine Lektion gelernt: Sei auf deinen eigenen Gewinn aus und amüsier dich, so gut du kannst.
Die Sehnsucht nach Geborgenheit und Wärme hatte er so tief in sich vergraben, dass er sie bewusst nicht mehr spürte. Dennoch war sie immer da. Er heiratete jung, war ein beruflicher Senkrechtstarter, verdiente viel Geld, hatte ein eigenes Haus, eine Yacht, schnelle Autos. Seine erste Frau entsprach seinem »Typ«. Sie war sexuell zu allem bereit. Dennoch betrog er sie und verließ sie wegen Susanne, mit der er zwei Kinder bekam.
Er sprach lachend von sich als »bad boy«, der immer schon auf Kicks aus gewesen war. Die Jämmerlichkeit dahinter, die Einsamkeit konnte er nicht spüren. Er weinte nicht. Aber er hatte immer wieder Magenschmerzen und Herzprobleme. Die Ärzte allerdings konnten nichts feststellen.
Hinter seiner vorgetäuschten Lockerheit saß eine entsetzliche Verkrampfung. Er tat alles, um seine innere Leere, die Einsamkeit und die Angst vorm Verlassensein nicht zu spüren. Mit ihm an Reifung und der Auflösung der Entfremdung von sich selbst und anderen Menschen zu arbeiten war schwer. Er machte Treueversprechen, aber ich hatte den Eindruck, dass er nun auch mich belügen würde. Ganz allmählich tastete er sich an ein Gefühl der Verantwortung für Susanne heran, für ihre seelische und körperliche Gesundheit, für ihre Integrität als Frau. Ganz allmählich bekam er ein Gefühl für seine Lebenswahrheit: Er war unbeliebt. Außer den Frauen, mit denen er Sex hatte, mochte ihn niemand. Die meisten Menschen fanden ihn egozentrisch und langweilten sich mit ihm, weil sie seine Oberflächlichkeit spürten. Und weil er nicht nur seine Partnerin, sondern auch andere Menschen emotional nicht nährte. Selbst beruflich war er nicht beliebt. Ein Einzelgänger, der sich Macht erobert hatte, aber auch dort immer wieder an seine menschlichen Grenzen stieß.
Was meine Arbeit mit ihm erleichterte, war der Umstand,
Weitere Kostenlose Bücher