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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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dem Register des Bostancıbaşı, der einen der bekanntesten Uferstreifen erfasst, nämlich den Abschnitt zwischen Arnavutköy und Bebek, bedarf einiger Erläuterungen. Das im Original für Christen verwendete Wort Z
immî
bedeutet eigentlich «Schutzbefohlener» und müsste nach dem islamischen Religionsgesetz auch für Juden gelten. Die osmanischen Amtsträger haben aber darauf keine Rücksicht genommen. Wenn sie von Z
immîs
schreiben, meinen sie ausschließlich Armenier und Griechen, Juden bildeten hingegen eine eigene Kategorie. Alle Häuser an der Küste von Arnavutköy waren in griechischem Besitz. Heute verfügt Arnavutköy noch über eine Uferfront aus Holzbauten, die ausnahmslos im 19. Jahrhundert entstanden. Die Stadtverwaltung hat leider in den 1980er Jahren durch eine auf Betonstützen ruhende Umgehungsstraße alles getan, um auch dieses Bild zu zerstören.
    Die Tabelle ist auch im Original dreispaltig angelegt, für den Sultan wichtige Örtlichkeiten, seine eigenen Schlösser und Anlegestellen, sind mit roter Tinte (hier in Kursivdruck) hervorgehoben. Besonders auffällig ist der plötzliche Übergang beim Kap von Akıntıburnu zwischen Arnavutköy und Bebek. Schlagartig erhält die bisher rein griechische Uferfront den Charakter der osmanischen Hautevolee. Das im Jahr 1800 in Angriff genommene Serail von Beyhân Sultan (1765–1824), der unermesslich reichen und gleichzeitig sehr kultivierten Tochter Mustafâs III., war bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts einer der spektakulärsten Neubauten am Bosporus. Beyhân war eine enge Vertraute ihres Bruders Selîm III., der sie hier und in ihren anderen Uferpalästen (Çırağan und zwei weiteren am Goldenen Horn) häufig besuchte.
    Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckten auch die Gesandtschaften der ausländischen Staaten das Sommerleben zwischen Tarabya und Büyükdere. Der französische Botschafter, Marquis de Bonac, hatte noch 1720 ein Sommerhaus in San Stefano (dem heutigen Yeşilköy) genommen. 1807 übergab Selim III. den Uferpalast von Alexander Ipsilantis, des Woiwoden der Walachei, den Franzosen, weil sich dessen Sohn Konstantin nach Russland abgesetzt hatte. Die Sommerbotschaften der europäischen Staaten sind heute durch die Uferstraße vom Wasser getrennt.

Kahnpartien im Mondschein
    Auch die gewöhnlichen Untertanen des Großherrn nutzten die Ausflugsorte an beiden Ufern des Bosporus. Kahnpartien in den Vollmondnächten bildeten den Höhepunkt des kurzen Istanbuler Sommers. Der Gelehrte Ahmed Cevdet (1823–1895), ein Autor, der besonders sensibel gesellschaftliche Veränderungen der Zeit erfasste, war in den letzten Tagen Mahmûds II. (gest. 1839) nach Istanbul gekommen. Er erinnerte sich an seine Zeit als junger Staatsdiener:
    Obwohl Euer ergebener Diener ununterbrochen an der hohen Pforte mit dem Abfassen von Denkschriften und Protokollen und Ähnlichem beschäftigt war, verbrachte ich die übrige Zeit mit dem Schreiben von Büchern und Abhandlungen. Dessen ungeachtet: Als in Istanbul eine derartig vergnügungssüchtige Stimmung aufkam, blieb ich, als Euer ergebener Diener, davon nicht gänzlich unberührt. Obwohl ich mich von der Poesie losgemacht hatte, konnte ich mich nicht zurückhalten und verfasste das Gedicht «Silberzypresse» und trat erneut in den Umgang von Poeten und manchmal auch von den Bewunderern des Mondscheins am Bosporus.
    Der damalige Leser verstand, dass das Wort «Silberzypresse» eine Bezeichnung für Kahnpartien während des Mondscheins war. Ein Text von Mehmed Tevfîk, der das Naturerlebnis mit geschichtlichen Betrachtungen im Anblick der Festung Rumeli Hisar verbindet, preist den Frühling am Bosporus:
    O du Frühling von Istanbul! Ihr zahllosen Auen am Bosporus! Du melancholisch, wehmütig stimmendes Ufer! Ihr leise, leise fächelnden Winde! Sind sie nicht als Süßigkeiten des Lebens und als Beruhigung des Gewissens, als Paradies der Menschen der Beschreibung am würdigsten? Im April ist die Gegend von Küçük Su (am anatolischen Ufer) ein wahrer Lustort der Freude, dessen Beschreibung, um von mir ganz zu schweigen, die Kräfte schönheitstrunkener Dichter, ja dessen Vorstellung schon die kühnste Phantasie übersteigt …
    Wenn man einen Frühlingsspaziergang über Rumeli Hisarı hinaus machen will, so wählt man die Balta Limanı genannte Wiese. Denn ein Spaziergang dort ist jedem anderen auf allen sonstigen Wiesengeländen der europäischen Seite vorzuziehen. Aber da es dort keinen Ufersaum gibt, so ist

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