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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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der frühesten modernen Autobiographien in türkischer Sprache, İbrâhîm Halîl (der später in die Mevlevî-Bruderschaft eintrat und als Aşçıdede bekannt wurde), erinnerte sich an die Abschlussprüfung des ersten Jahrgangs (1842). İbrâhîms
Rüşdîye
führte den hochtrabenden Namen «Schule für literarische Wissenschaften» und war in der schon Mitte des 16. Jahrhunderts erbauten Taş Mekteb des Süleymaniye-Komplexes untergebracht. Ihre Absolventen wurden gemeinsam mit denen der Sultan Ahmed-Schule in der «Blauen Moschee» examiniert. Insofern konnte man von einem «Heimspiel» der Letztgenannten sprechen. İbrâhîm Halîl versäumt aber auch nicht, das soziale Gefälle zwischen den beiden Schulen herauszustellen.
    In diesem Jahr wurden die Datierungsformeln der sultanischen Erlasse als Prüfungsthema ausgegeben … Am nächsten Tag war es so weit: Wir gingen in unseren feinsten und besten Feiertagskleidern … zur Sultan Ahmed-Moschee. Die Rüşdîye-Schule war von der Moschee mit den unteren Teilen von Zelttüchern abgetrennt, hier versammelten wir uns. Das heißt, es entstanden zwei Lager, wir waren auf der einen, die (Knaben) von Sultan Ahmed auf der anderen. Wir starrten uns an wie grimmige Ochsen. So ist halt das Schülerleben. Endlich nahmen vor der Gebetsnische der Moschee der Scheichülislam, der Großwesir und andere hohe Staatsmänner auf sorgfältig angeordneten Sitzkissen Platz. In diesem Jahr erwies uns allerdings die Majestät (der Sultan) nicht die Ehre.
    Zunächst waren die Knaben von Sultan Ahmed an der Reihe, denn ihre Eltern waren gegenwärtig, während die Väter der Süleymaniye(-kandidaten) in ihren Läden und Werkstätten zu tun hatten. Die Prüfung dauerte eine Stunde. (Die Knaben von Sultan Ahmed) konnten nur zehn der zwanzig gestellten Fragen beantworten. Danach gingen sie heraus und die Mannschaft der Süleymânîye marschierte ein. An uns wurden an diesem Tag vierzig Fragen gerichtet. Wir beantworteten sie alle aus einer Kehle. Unser gleichzeitigesSchreien löste bei den anwesenden Staatsmännern Heiterkeit aus. Ihr Lachen machte uns noch munterer, unsere Liebe zur Sache und unser Eifer wuchs und wir wurden völlig gelöst. Die ursprüngliche Schüchternheit war vergangen. Die Frage, auf die wir (zunächst) nicht antworten konnten, wurde erst ganz am Ende gestellt. İmâm-Zâde Efendi (der Prüfer) sagte, als auch darauf eine Antwort kam: «Schön, schön, wir haben es begriffen, jetzt raus mit euch!» Und jagte uns förmlich hinaus.
    Abb. 29: Die vom Großwesir Hüsrev Pascha (gest. 1855) zu Studien nach Paris entsandten Ziehsöhne
    Abb. 30: Das 1867 als Eliteschule des Osmanischen Staats eröffnete Galataserail-Lyzeum
    Zur Heranbildung von
Rüşdiye
-Lehrern wurde 1846 das
Dârülmuallimîn
gegründet. 1852 bestanden zehn Schulen des neuen dreiklassigen Typus. Ein herausragendes Ereignis war die Umwandlung der Grundschule der Cevrî Kalfa am Hippodrom in eine Mädchenschule (Ende 1858). Aus dieser «Sultan Ahmed Frauen-Oberschule» (Sultan Ahmed İnâs Rüsdiyesi) genannten Anstalt gingen allerdings erst 1870 Absolventinnen hervor. Man muss sich vergegenwärtigen, dass bis dahin in der gesamten islamischen Welt die Mädchenausbildung, wenn nicht von der höfischen Elite die Rede sein soll, mit der Alphabetisierung durch den Koran in den «Knabenschulen» endete, jedenfalls nie über die Pubertät hinaus fortgeführt wurde. Noch unter Abdülhamîd II. gab es starke Bestrebungen hoher Ulemâ, das Rad zurückzudrehen und die Sekundarbildung für Mädchenabzuschaffen. Im selben Jahr 1870 wurde ein Pädagogikum für Frauen gegründet. An dieser
Dârülmuallimât
genannten Schule studierten sicher auch Mädchen, die nicht das Berufsziel Lehrerin hatten. Trotz vieler gelungener Reformmaßnahmen hüteten die Ulemâ ihr Monopol über die Elementarerziehung bis in die letzten Jahre des Osmanenstaats. Erst 1916 wurden dem Scheichülislam das Grundschulwesen der muslimischen Bevölkerung entzogen. Die Entsendung muslimischer Knaben zum Studium in Europa hatte allerdings schon im frühen 19. Jahrhundert eingesetzt.
Die Medrese als Ort höherer islamischer Bildung
    Das arabische Wort
Madrasa
bedeutet «Ort der Lehre». Nach der Eroberung Istanbuls schossen die Medresen wie Pilze aus dem Boden. Sie bildeten eine komplizierte, vertikal (nach Einkommen der Professoren) und horizontal (nach Standort) gegliederte Hierarchie. Eine Medrese hatte stets nur eine Persönlichkeit als Lehrer.

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