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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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Fâtih-Komplexes zusammenzählt, stehen diese an der Spitze. Allein in Fatih studierten 161 Knaben und junge Männer. Das Problem der zunehmenden Überbelegung hatte sich erledigt, weil nun viele Familien ihre Söhne zum Studium an den großen staatlichen Schulen für Recht und Verwaltung ermutigten.
Ein osmanischer Tycho Brahe
    Das vor der Mitte des 17. Jahrhunderts abgeschlossene Geschichtswerk des Karaçelebî-Zâde hat unter dem Jahr 988 H./1580/81 D. einen kurzen, aber doch sehr auffallenden Eintrag:
    Im Jahr [9]88 errichtete der Takîeddîn genannte Astronom unter Zustimmung des Sultanslehrers Sa’deddîn oberhalb von Tophane einen astronomischen Brunnen. Als er seine Arbeiten aufnahm, protestierte der (neue) Hoca Efendi, die Staaten, welche Himmelsbeobachtungen betrieben hätten, seien in kurzer Zeit zu Grunde gegangen.
    Das erste moderne Observatorium Istanbuls, das der Chronist als «astronomischen Brunnen» bezeichnet, hat tatsächlich nur wenige Monate bestanden. Schon kurz nach seiner Einrichtung im Jahr 1579 wurde es 1580 auf Betreiben von Sa’deddîns Nachfolger geschlossen und zerstört. Erst im 19. Jahrhundert erhielt die moderne Astronomie wieder Heimatrecht in der Türkei. Trotz oder gerade wegen dieser kurzen Wirksamkeit lohnt eine nähere Betrachtung.
    Das Observatorium wurde an einem nicht mehr genau zu ermittelnden Ort unweit des späteren Taksîm, d.h. vor den Mauern von Galata errichtet. Der Anstoß ging von Takîeddîn b. Muhammad b. Ma’rûf aus, der aus Damaskus stammte, aber in Kairo die Medrese besucht hatte. In Nablus (Palästina) hatte er eine Richterstelle, bevor er 1571 zum Chefastrologen von Istanbul ernannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich schon durch wichtige astronomische Handbücher hervorgetan. Takîeddîn war auch ein guter Kenner der zeitgenössischen Optik und Mechanik. Er überzeugte Murâd III., dass man mit den bisherigen Tafelwerken nicht mehr gut arbeiten könne, und erhielt die Erlaubnis zum Bau eines Observatoriums.
    Murâds Förderung des sternenkundigen Mannes erinnert an seinen Urgroßvater Mehmed II., der seinerzeit Ali Kuşçu, den hochangesehenen Hofastronomen aus Samarkand, mit viel Geld und (wofür Gelehrte noch empfindlicher sind) süßen Worten nach Istanbul lockte. Ali Kuşçu kam seinerzeit mit den berühmten «Neuen Tafeln», welche die bisher genauesten Angaben zu Fixsternen enthielten. Diese «Neuen Tafeln» sahen im späten 16. Jahrhundert allerdings entschieden älter aus.
    Takîeddîn fand in Murâd III. einen fürstlichen Förderer und die Unterstützung des «Hoca» genannten «Sultanslehrers» Sa’deddîn. Dem gelehrten Kollegen widmete er eine Anzahl seiner Werke. Nach der Erlaubnis, ein Observatorium mit einem tiefen Beobachtungsschacht zu bauen, konnte er auf eine institutionalisierte astronomische Beobachtungstätigkeit hoffen. Man hat Gründe, anzunehmen, dass Takîeddîn von Tycho Brahe wusste, dem der dänische König Frederick II. einige Jahre zuvor (1576) auf der Insel Uraniborg das erste große Observatorium des Abendlands eingerichtet hatte. Tycho erhielt nicht anders als Takîeddîn ein großzügiges Lehen zugesprochen! Es gibt eine bekannte Miniatur in einem «Buch des Königs der Könige» (
Şâhinşâhnâme
), die Takîeddîn in seinem Arbeitsraum zeigt. In ihm befanden sich ein Erdglobus, eine leicht zu übersehende Augsburger Uhr neben Quadranten, Armillarsphären und andere Instrumente. Eine leider undatierte Abschrift des Befehlsschreibens, mit dem Takîeddîns finanzielle Verhältnisse geregelt wurden, hat sich erhalten. Abgesehen von den hier zum Teil weggelassenen Kaskaden von Eulogien auf den Astronomen ist das wichtige Wort von der «neuen Methode astronomischer Beobachtung» enthalten:
    Abschrift des Einsetzungsdiploms des seligen … Sultan Murâd (III.) … für den Begründer der astronomischen Beobachtung Takîeddîn.
    Dieses ist der Befehl des Allerhöchsten …: indem der Glanz meiner ruhmvollen Gnade und der Wetterstrahl meiner Hochherzigkeit aus dem Wolkenschleier dunklen Zweifels gleich der taghellen Sonne und dem Meteorfeuer des funkelnden Sternes über alle Geschöpfe der Welt und die gesamte Menschheit leuchtet
    und nachdem zur Förderung des heiligen Gesetzes und Brauches und der Einigkeit der Gemeinde sowie im Interesse der Befolgung der göttlichen Gebote die Feststellung der Zeiten und Stunden von der größten Wichtigkeit ist,
    andererseits jedoch in den vergangenen Zeiten selbst die

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