Istanbul: Ein historischer Stadtführer
später durch die Lektüre von Celâleddîn Rûmîs
Mesnevî
ergänzt, ohne dass uns der Autor verrät, wo und von wem er Persisch gelernt hat.
Falaka
Das Bastonade-Instrument
falaka
war gleichsam das Leitfossil der traditionellen Schule. Ahmed Râsim hat seinen autobiographischen Schulroman von 1927 sogar unter den Titel
Falaka
gestellt. Eine
Falaka
ist ein Holzknebel, der die Beine des Delinquenten miteinander verband. Gehalten von zwei kräftigen Schülern erlaubte sie dem Lehrer, mit dem Stock gezielt und nachhaltig auf die Fußsohlen zu schlagen. Auch in Muallim Nâcîs melancholischer Autobiographie kommt sie zum Einsatz:
Du kennst die
Falaka
mit Riemen, die bei dem Haupte des Hoca Efendi hängt, unser Onkel hat sie eines Tages zerbrochen und ist davongelaufen. Aber paß auf, wie er es gemacht hat. Wenn die Zeit kam, daß der Hoca Efendi die Gebetswaschung vornahm, so breitete er zuerst auf der vor ihm stehenden Bank ein Tuch aus, dann nahm er seinen Turban vom Kopfe und legte ihn darauf und bedeckte sich mit einem reinen Leinenkäppchen. Eines Tages hatte er seinen Turban wieder so abgesetzt, dort hingelegt und war hinausgegangen, um seine Waschungen vorzunehmen. Unser Onkel lief sogleich und steckte einen Vogel, den er zuvor bereitgehalten hatte, flink unter den Turban, dann kehrte er zurück und setzte sich an seinen Platz, so daß es schien, als ob er angefangen hätte, seine Lektion zu lernen.
Der Hoca Efendi kam, und als er eben seinen Turban von seinem Platz nahm, um ihn auf den Kopf zu setzen, da fliegt – burr burr – der Vogel davon. Der Hoca Efendi war erzürnt und fragte die Kinder, wer das getan hätte. Sie zeigten auf unseren Onkel, der lacht. Wieder der Tâhir? Bringt ihn und legt ihn auf den Boden, und dabei wuchs sein Eifer immer. Endlich legten sie ihn auf den Boden und spannten die Riemenfalaka, und nun beachte die Verschmitztheit unseres Onkels, aber er wußte ja, wie es vom Anfang bis zum Ende gehen würde. Er hatte den Riemen durchschnitten und mit irgend etwas wie Wachs oder Mastix zusammengeklebt. Sobald er nun seine Füße bewegte, riß der Riemen, stelle dir das vor! Wie nahe ist nun die Schultür bei dem Platz der
Falaka
und des Stockes! Dorthin entwischt er, die beiden Enden der
Falaka
blieben in den Händen derer, die sie hielten, sie sahen, wie er wie ein Blitz hinauslief. Finde nun den Tâhir, wenn du kannst.
Die Stifter und ihre Schulbauten im Istanbuler Stadtbild
Die Stifter, nicht nur Sultane und Wesire sondern auch Mittelständler, recht häufig Damen, reservierten Immobilien und Kapital für den Schulbau, denUnterhalt des Lehrers und seines Gehilfen und die Bekleidung der ärmeren Schüler. Das Grab der Wohltäter lag häufig in der Nähe der Schulräume. So konnte das lärmende Schwätzen, aber auch das dankbare Gebet der Schulkinder unmittelbar zu ihnen dringen. Viele Schulen nehmen wie die Brunnen der Stadtviertel den Winkel zwischen zwei Wohnstraßen ein und bedienen so mehrere Quartiere.
Die Verbindung von großen öffentlichen Brunnen mit einer Schule im Obergeschoss kann man zwar im osmanischen Kairo häufiger beobachten als in Istanbul, doch gibt es auch hier schöne, leider oft vernachlässigte Vertreter des in Ägypten erfundenen Typus. Als Beispiel muss die Schule des Recâ’î Mehmed Efendi im Stadtteil Vefa mit ihrem hübschen Rokokobrunnen genügen. Das Straßenniveau des Viertels hat sich, wie man hier gut beobachten kann, in einem Viertel Jahrtausend um einen ganzen Meter gehoben. Der fromme Stifter hatte es zweimal zum
Re’isülküttâb
gebracht, war also Chef der Staatskanzlei und
de facto
Außenminister (bevor dessen Ressort 1836 förmlich geschaffen wurde). Ein bekannter Scheichülislam, Esad Efendi, schrieb in seine Stiftungsurkunde von 1754/55 noch folgenden Satz (der in ähnlicher Form auch sonst vorkam):
Alljährlich sollen der Lehrer und sein Gehilfe 1200
Akçe
verwenden, um mit den Knäblein einen Ausflug ins Grüne zu veranstalten, und sie dort für Kochen und Essen ausgeben.
Die Zahl von 300
Mektebs
für das spätosmanische Istanbul steht einigermaßen fest. Der Lokalforscher Muallim Cevdet hat im Jahr 1919 zusammengestellt, auf welche Personengruppen sich die Stifter von 184 gezählten Schulen verteilten.
Die älteste von einem Sultan gestiftete Istanbuler
Mekteb
war Bestandteil der Fâtih-Stiftung. Sie lehnte sich an die Westmauer an oder saß auf ihr, jedenfalls war es eine typische Lage für die meist an der Peripherie der
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