Istanbul: Ein historischer Stadtführer
wichtiges Rohmaterial für Pfeifenköpfe. Zeitgenössische Bilder beweisen, dass man nicht nur im Kaffeehaus rauchte, sondern auch bei Spaziergängen und Ausritten.
Schnupftabak ist schon 1642 belegt. Er konnte zu Zeiten und an Orten genossen werden, in denen das Rauchen verboten war. Wasserpfeifen waren bei den Osmanen beliebt, wenn auch nicht ganz so verbreitet wie im benachbarten Persien. Vermutlich tauchen sie erst im 18. Jahrhundert in größerer Zahl auf. Ihr Name
Nargîle
hat mit dem persischen Wort für Kokosnuß zu tun und weist auf die Armeleuteversion der Wasserpfeife hin. Die besseren Wasserpfeifen waren aus Keramik, im 19. Jahrhundert wurden Glasbehälter aus Böhmen importiert.
Die Religionsgelehrten taten sich schwer mit dem neuen Genussgift. Im Koran fehlten verwertbare Hinweise, wenn man den Tabak nicht einfach zu den «schlechten Dingen» zählt, die das Heilige Buch für verboten erklärt (Sure VII, 157). Jedenfalls schritten die Sultane des frühen 17. Jahrhunderts mit Erlassen (Osmân II.) und wahrhaft drakonischen Strafen (Murâd IV.) gegen das «Trinken von Tabak» (wie es noch im heutigen Türkischen heißt) ein. Die wesentlichen Sätze eines Fermans aus dem Jahr 1622 lauten:
Es wird berichtet, dass gegenwärtig noch immer einige Leute nicht aufgehört haben, auf ihren Feldern und in ihren Gärten Tabak zu lesen und ihn in den Häusern, Kaffeehäusern und bei der Arbeit zu rauchen. Diejenigen, die Tabak rauchen bzw. kaufen und verkaufen oder ihn anpflanzen und die Tabakblätter pflücken, verdienen die verschiedensten Arten des Tadels … Aus diesem Grund wird befohlen, dass Leute auszuschicken sind, die öffentlich und im Geheimen in den Zimmern spionieren, um zu sehen, ob jeder seiner Arbeit nachgeht oder sich mit etwas anderem befasst … Diejenigen, die nicht davon ablassen, sind zu ergreifen und in strenge Haft zu nehmen. Sodann ist bekanntzugeben, dass es für diese Art von Menschen keine Gnade gibt.
Die modernen Autoren sind sich über die Motive des Tabakverbots nicht einig. Manche Historiker wollen mehr «politische», d.h. gegen verschwörerische Zirkel gerichtete, als «moralische» Gründe in der Politik Murâds IV. erkennen. Auch werden die Verbote in Zusammenhang mit den Stadtbränden gebracht. Der Kampf gegen Anbau und Genuss wurde über mehrere Jahrzehnte ausgetragen. Ende des 17. Jahrhunderts hatte man resigniert und den Tabak mit einer Art Luxussteuer belegt. Der Chronist Râşid sprach von einer Verdoppelung der Einnahmen des Istanbuler Zolls! Mitte des 18. Jahrhunderts war dann die völlige Liberalisierung des Tabakanbaus vollzogen. Anders als beim Kaffee und Zucker, die ursprünglich einheimische Produkte waren, aber bald ausschließlich aus Übersee importiert werden mussten, wurde der Tabak früh einheimisch. Tabak konnte in Mazedonien gedeihen, an der Schwarzmeerküste, im Hinterland von Izmir, aber auch im kurdischen Südosten und in Teilen Syriens. Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Nachfrage nach türkischen Tabaken in der Folge des Amerikanischen Bürgerkriegs. Griechische und jüdische Auswanderer machten die Europäer und Amerikaner mit dem Geschmack türkischer Sorten vertraut. 1860 wurde Tabak Staatsmonopol. Die
Régie
musste nach Einrichtung der Staatsschuldenverwaltung die Einnahmen mit dieser «Dette Publique» genannten Organisation und dem Staat teilen.
Obwohl im Hinterland von Istanbul wenig Tabak angebaut wurde, entstand 1884 eine große Verarbeitungsstätte in Cibali am Goldenen Horn. Ab 1900 wurden hier Zigaretten hergestellt. Seit 2002 beherbergt die einst unter französischer Leitung stehende «Fabrique de Tabac» die private Kadır Has-Universität. Die Cibali Tütün Fabrikası bleibt jedoch ein eindrucksvolles Industriedenkmal aus der hamidischen Epoche. Der Istanbuler Schriftsteller Mahmûd Yesârî (1895–1945) hat die Tabakfabrik sogar zum Schauplatz eines frühen, 1927 gedruckten sozialkritischen Romans
Çulluk
(«Schnepfe») gemacht. Hier geht es um die Liebe zwischen Murâd und Münevver, eine ungerechtfertigte Entlassung und arrangierte Ehen im ländlichen Herkunftsgebiet.
Kaffeehäuser
Die Eroberung des Jemen (ab 1538) und der gegenüberliegenden Küste Afrikas mag die Verbreitung des Kaffees in der osmanischen Hauptstadt gefördert haben. Ursächlich war sie nicht, denn schon früher wurde der Kaffeegenuss aus Orten wie Kairo (1532/33), das seit 1517 von Istanbul aus regiert wurde, gemeldet – und untersagt. Araber aus Aleppo und
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