Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Damaskus waren in der Mitte des 16. Jahrhunderts die ersten Betreiber von Kaffeehäusern in ihrer neuen Hauptstadt Istanbul. Zu vorübergehenden Schließungen kam es bis zur Ausrufung der Tanzîmât 1839 in allen Jahrhunderten. Um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert tarnten sich Kaffeeschenken gerne als Barbierläden. Jedenfalls war der Barbier nicht selten in Personalunion Kaffeewirt. Wenn es keine Restriktionen gab, und das galt für den größten Zeitraum der osmanischen Geschichte, wurde Kaffee auch von ambulanten Kahvecis angeboten. Bis zum Ende des Reichs war die Einfuhr des jemenitischen Mokkas immer weiter zurückgegangen. Zum Schluss betrug sein Anteil nur noch 2 oder 3 Prozent, der Rest kam wie der Zucker aus den Kolonien der europäischen Mächte. «Nur das heiße Wasser war einheimisch», lautete der zynische Kommentar eines Historikers.
Der treffliche Mehmed Tevfîk, selbst Sohn eines praktizierenden Kaffeewirts, hat ein Genre-Bild des unverfälschten, volkstümlichen Kaffeehauses, wie man es um 1900 noch in jedem Stadtviertel antraf, hinterlassen:
Das von dem Wundarzt Meister Ârif betriebene Stadtviertel-Kaffeehaus am Et Meydanı (bei den ehemaligen Janitscharen-Kasernen) war zu jener Zeit fast weniger ein Stadtviertel-Café als ein Treffpunkt von Schöngeistern. Meister Ârif war wegen seiner chirurgischen Geschicklichkeit weit und breit berühmt. Seinem Ruf hatte er es zu verdanken, daß er zu den meisten Beschneidungsfesten zugezogen wurde und mit den bedeutendsten und angesehensten Männern verkehrte. In seinem Kaffeehaus liefen nach gutem altem Brauch rings an den vier Wandseiten mit Matten belegte Holzbänke herum. Der Boden war innen mit großen runden Ziegeln gepflastert. In der Mitte stand ein Dreifuß und darauf ein großes Kohlenbecken. Es war ganz blank auf allen Seiten gescheuert und drinnen brannte hell glühend und funkelnd das Feuer. In kleinen Schränkchen an den Wänden des Kaffeehauses befanden sich in schönster Ordnung alle möglichen chirurgischen Instrumente, Rasiermesser, Handtücher und Servietten aufbewahrt. In Reih und Glied standen da Tschibuks, mit Bernsteinmundstück versehen, aus Zitronen-, Jasmin –, Rosen- und Kirschenholz, und solche, die ein entrindetes und glänzend poliertes Pfeifenrohr hatten und Kristallglas-Wasserpfeifen. Einige gelbe und weiße Becken von verschiedener Form waren an der Wand aufgehängt; ferner eine mit köstlicher Schrift geschriebene Tafel. Auf ihr stand dieser Vers geschrieben:
Das Herz verlangt weder nach Kaffee, noch nach dem Kaffeehaus;
Nach Gefährten sehnt es sich, Kaffee macht nur den Vorwand d’raus!
Der Herd des Kaffeehauses war mit kostbaren Porzellankacheln geschmückt. Er zierte das Kaffeehaus in einer Weise, daß man ihn unbedenklich für die Blumennische eines prächtigen Salons hätte erklären können. Eine große Lampe, wie man sie zu jener Zeit gebrauchte, war an drei Armen aus gelbem Draht an der Decke des Kaffeehauses aufgehängt und wurde allabendlich angezündet. Es war ein Gehilfe und ein Bursche da, die von Meister Ârif ihre Unterweisung zu empfangen hatten.
Kaffeehäuser europäischen Typs kamen erst um 1870 in Pera/Beyoğlu auf. Sie hießen dann nach Pariser Vorbild «Café du Luxembourg», «Café de la Couronne» oder «Café de la Concorde». Man saß nun nicht mehr an niedrigen Tischen auf Hockern, sondern um einen aus Frankreich importierten
Guéridon
. Der Schriftsteller Ahmed Midhat (1844–1912) lässt in einer seiner bekanntesten Erzählungen einen Sürûrî Efendi, die Karikatur des oberflächlich verwestlichten Osmanen, eines dieser modernen Etablissements betreten und Betrachtungen über die Kaffeehäuser alttürkischen Typs anstellen:
Das ist es, was ich Leben nenne. Man stelle sich vor, man möchte nach dem Abendessen noch einen Kaffee zu sich nehmen. Was für ein Vergnügen hat man eigentlich, wenn man eine Tasse Kaffee aus der Hand eines nach Schnupftabak riechenden Bauernlümmels bekommt, wie sie in unseren altmodischen Kaffeehäusern bedienen? In einem Raum, der so mit Tabakrauch ausgefüllt ist, dass man glaubt, in einem Kamin zu sein. Die ganze Beleuchtung besteht aus einer blinden Ölfunzel neben dem Kocher zum Aufbrühen des Kaffees sowie einer vor Dreck starrenden Deckenlampe. Seinen Kaffee trinkt man unter dem hustenden Geräusch der Opiumtrinker.
Schauen wir woanders hin. Auch das ist ein Kaffeehaus. An der einen Seite spielt eine Kapelle, die aus zehn entzückenden deutschen
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