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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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auch wenn nur ein Bruchteil der Anspielungen ohne gute Lokal- und Sprachkenntnisse verständlich sind. Nach einem Vorspiel, in dem die beiden Hauptfiguren als Musikanten auftreten, aber nur Hacivad etwas einnimmt, weil sich Karagöz unpassend benimmt, rät ihm Hacivad, sich als Straßenschreiber zu versuchen. Die Zusammenfassung des Inhalts stammt von Hellmut Ritter:
    Karagöz macht nun Schreibversuche mit seinem Namen, schreibt aber natürlich alles verkehrt. Dann kommen die Kunden. Zuerst meldet sich eine Dame mit ihrer tscherkessischen Dienerin und will einen Liebesbrief an ihre lesbische Freundin geschrieben haben. Mit der Tscherkessin kommt Karagöz sogleich in Streit, den überaus blumenreichen gereimten Liebesbrief der Dame aber verdreht er so entsetzlich, daß die beiden Frauenzimmer schwer verärgert fortgehen.
    Der nächste Kunde ist ein Franke (Grieche), der einen Geschäftsbrief an seinen Kompagnon auf der Insel Chios schreiben lassen will. Er verlangt Unmögliches von Karagöz: er soll die Melodie seiner Rede, das Knarren eines Wasserrades, das Gebell eines Hundes in den Brief hineinschreiben und schließlich dreißig zu viel geschriebene Abtritte wieder weglecken und ähnliches.
    Der nächste Kunde ist der grobe «Türk» Himmet aus Kastamonu, aus dessen bäuerischem Brief wir die typischen Berufe erfahren, die die nach Stambul kommenden Kastamonier dort ausübten. Die Fremdwortentstellungen, die der Holzhauer sich leistet, sind furchtbar.
    Der nächste Kunde ist ein lasischer Schiffer aus Trabzon, der zunächst die Vorteile des Haselnußhandels gegenüber dem Kupferhandel (beide sind typische Exportartikel Trabzons) durch die Erzählung von einem Schiffbruch, bei dem das Kupfer untergegangen, die Haselnüsse aber obenan geschwommen seien, erläutert, um dann einen ziemlich sinnlosen Brief von Karagöz schreiben zu lassen.
    Auf ihn folgt der Opiumraucher. Er läßt sich von Karagöz eine Liste von Drogen aufschreiben, die er einkaufen will und deren gelehrte Namen von Karagöz, wie zu erwarten, arg entstellt werden.
    Der nächste, der einen Brief schreiben läßt, ist ein Zigeuner. Sein Brief wimmelt von Zigeunerwörtern und ist inhaltlich bis zur Unübersetzbarkeit obszön.
    Der letzte Kunde ist Çelebi, der in einer seiner zahlreichen Herzensaffären sich einen Brief von Karagöz schreiben lassen will, welcher aber von Karagöz ebenso entstellt wird wie alle übrigen Briefe. Çelebi macht übrigens Karagöz darauf aufmerksam, daß es in dem Laden, in dem er sitzt, nicht geheuer sei. Karagöz wird ängstlich und ruft Hacivad herbei. Dieser lehrt ihn ein kräftiges Sprüchlein, das die Furcht vor Geistern vertreiben soll. Wie es aber Karagöz herzubeten beginnt, erscheint ein Geist und schlägt gerade bei dem angeblich wirksamsten Wort Karagöz mit einem Blechgefäß laut donnernd auf den Kopf. Das wiederholt sich mehrmals, aber trotzdem will Hacivad nichts davon wissen, daß der Laden nicht zu brauchen sei, und besteht auf der Zahlung der Ladenmiete. Schließlich wird er sogar handgreiflich, so daß Karagöz sich seiner mit einer Schlußohrfeige erledigen muß, womit das Stück zu Ende geht.
Kanto
    Während Karagöz-Aufführungen vollständig an das islamisch-türkische Milieu gebunden waren, hatten die Sänger und Sängerinnen der Minderheiten ein Publikum aus allen Volksschichten. In den Ramazân-Nächten stiegen auch die Einnahmen der
Kantocu
genannten Künstler. In den populären Theatern von Direklerarası (bei Şehzade) und Pera/Beyoğlu bildeten ihre operettenhaften Auftritte oft den Höhepunkt. Sie wurden von einem kleinen Orchester aus Trompete, Violine, Klarinette, Posaune, Trommel und Bassgeige begleitet. Oft traten sie in der Form des Sprechgesangs in unmittelbaren Austausch mit dem Publikum. Eine berühmte Vertreterin des
Kantos
war die aus Sivas stammende Armenierin Şamran (1870–1955), die 1895 zum ersten Mal auf der Bühne stand und ab 1906 Schallplatten produzierte. Şamran trat öfters mit ihrer Kusine Peruz auf. In einem Duett übernahm sie die Männerrolle, Peruz die der Frau. Text und Musik stammten häufig von den Kantocus wie vielleicht auch im folgenden Beispiel aus dem Repertoire von Şamran und Peruz.
    Mann: Mademoiselle, sind sie nicht stur,
    Ich bin ein Jüngling weich wie Seide.
    Für viele Mädchen und auch Damen
    Bin ich die reine Augenweide

    Frau: Sieh an, sieh an, sieh an,
    Diese unreife Birne, hab ich nicht
    gesagt, geh nicht aus
    und komm zu nahe an mich

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