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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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blieb mir zu wählen übrig.»
Ein starker Talisman
    Der Obelisk Thutmosis’ III. aus der Mitte des 2. Jahrtausends ist sicher das älteste Monument auf dem Boden von Istanbul. Er findet sich auf den meisten osmanischen Abbildungen des Hippodroms. Evliyâ, der 360 Talismane auf dem Boden Istanbuls zu kennen beansprucht, sich aber nur mit 16 näher befasst, bringt ihn wieder mit dem legendären Stadtgründer Yanko zusammen. Evliyâ hat sich die vier Seiten des Obelisken mit seinen Hieroglyphen recht gründlich angeschaut:
    Er gleicht einem Stift und ist ein Monolith, aus rötlichem, gesprenkeltem Bienenstein (d. i. Granit). In der Zeit Yankos, des Sohns von Madyan, wurde von einem vollkommenen Meister unter den gelehrten Wahrsagern Istanbuls verzeichnet, was in Istanbul bis zum Ende aller Zeiten geschehen wird und welche Wunder jedem Padischah manifest werden. Er hat auf Grund seiner Beherrschung der Sternenkunst auf allen vier Seiten dieses überaus harten Steins die Bilder von sämtlichen Arten von Geschöpfen samt ihren Geheimnissen eingeritzt.
    Evliyâ sagt an dieser Stelle nichts über die Herkunft des Obelisken. Jahrzehnte später sollte er auf seiner Wanderfahrt von Kairo in den Sudan in Luxor und Karnak (woher der nach Istanbul exilierte Obelisk tatsächlich stammt) und anderswo Steinnadeln in ihrem Herkunftsland bestaunen.
    Es gibt (auch) die Bilder von Männern mit hohen Zeremonialturbanen sowie von solchen, die Kopfbedeckungen tragen wie (unsere)
Bostancıs
, und Männer mit den Filzhauben der Janitscharen … solche sind wohl hohe Provinzverwalter … Die Eulenbilder sind ein Vorzeichen für Zerstörung.
    Während sich diese Sätze auf die Abbildungen des Gottes Amon und des Pharaos auf dem Obelisken selbst beziehen, ist im Folgenden – übergangslos – von den Sockelreliefs aus dem 4. Jahrhundert die Rede. Für das Bild von Theodosius an der Südostseite, auf welcher der Kaiser zwischenseinen Söhnen stehend eine Krone hält, hat Evliyâ eine andere Deutung als die klassischen Archäologen bereit.
    Und er hat auch Yanko bin Madyan abgebildet auf einem hohen Thron sitzend, in der Hand einen kreisrunden Ring. Es bedeutet beispielsweise, dass ich ein Welteroberer bin, die Welt besiegt habe und sie wie einen Ring in meine Hand genommen habe. Und sein Gesicht wendet sich nach Osten. Auf der nach Westen gewandten Seite sind viele als Bettler gezeichnete Padischahs mit Schalen in den Händen, es sind Herrscher, welche von ihren Dienern, Wesiren und Untertanen Antrittszahlungen fordern.
    Die auf dem unteren Relief beschriebene und abgebildete Aufrichtung des Obelisken wird nicht vergessen:
    Auf einer Seite dieses Stifts auf der ganzen Höhe des 100 Ellen langen Steins sind … dreihundert Männer, Bilder von Werkzeugen und Ankerwinden und Rundbalken zu sehen. Es ist eine noch heute zum Himmel ragende Riesensäule. Zehn Mann sind außerstande, sie zu umfassen. Sie ruht fest auf jeder Ecke auf einem Bronzesockel. Wer etwas von der Baukunst versteht, legt den Finger des Erstaunens an den Mund.
    Die nach 1453 entstandene Chronik des Yazıcıoğlu weiß noch um eine nützliche Besonderheit des Obelisken:
    Auch hat man am Fuß dieser Säule eine Hand aus Kupfer angebracht. Das war ein Talisman. Jedesmal wenn jemand eine Ware in die Stadt brachte (um sie zu verkaufen), wurde er zu dieser Hand geführt. Man öffnete sie und zählte das Geld in ihre Handfläche. Wenn der (angemessene) Preis, ganz gleich wie hoch oder niedrig, erreicht wurde, schloss sich die Hand, und sie wussten, dass das der Preis der Handelsware war. Eines Tages brachte man ein Pferd aus Anatolien, und sie setzten einen Preis von zehntausend Silberlingen (
akçe
) fest. Sie brachten es zu dieser Hand, öffneten sie und zählten ein, zwei, fünf, zehn, zwanzig, dreißig, vierzig
akçe
hinein. Worauf sich die Hand schloss. Als der Türke (also der anatolische Pferdehändler) das sah, geriet er in Wut und begann, mit seinem eisernen Stab um sich zu schlagen, und rief: «Ich würde es nicht einmal für zehntausend
Akçe
verkaufen, und diese Hand schließt sich bei vierzig! Ich mache jetzt mit ihr das, was ich mit dem, der sie hergestellt und hierher gebracht hat, machen würde.» Und er schlug mit seinem Stock zu und zerstörte die Hand. Sie ergriffen den Türken und schlugen ihm den Kopf ab. Noch vor Ablauf von zwei Tagen verstarb das Pferd, und seine Haut wurde um 40
Akçe
verkauft.
    Der Obelisk Thutmosis’ III. regte übrigens in den 1890er Jahren

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