Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
Vom Netzwerk:
(1574–1595) im Gedächtnis. Dieser kunstsinnige, aber politisch schwache Herrscher hat an vielen anderen Stellen am Ausbau des Palastes mitgewirkt. Ein herausragendes Ereignis gegen Ende seines Lebens war der Bau des nach dem Großwesir Sinân Pascha genannten Kiosks. Er saß auf der Seemauer der Marmaraseite auf, so dass er als Tribüne für Reiterspiele in den Palastgärten dienen konnte und gleichzeitig Sicht auf das Meer gewährte. Sein eindrucksvoller Unterbauüber einer seit byzantinischer Zeit verehrten heiligen Quelle (
ayazma
) ist von der Uferstraße (Sahilyolu) aus gut zu erkennen. Der Historiker Selanikî berichtet unter den Ereignissen des Jahres 1590/91:
    Abb. 9: Hof im Harem des Topkapı Sarayıs
    Im genannten Jahr wünschte der weltbeherrschende Padischah, dass man in der Nähe des Stalltors (Ahur Kapısı) des kaiserlichen Serails ein Schloss baue, das seinesgleichen sucht. Es sollte am Meeresufer auf der Festungsmauer errichtet werden, so dass man (gleichzeitig) die Kämpfer auf dem «Kürbisplatz» (Kabak Meydanı) und das Meer betrachten konnte. Der Großwesir Sinân Pascha ließ Davud Ağa, den Obersten Architekten, rufen, und mit einem großherrlichen Befehlsschreiben ausgestattet, stellte er aus eigenem Vermögen ausreichend Goldmünzen zur Verfügung, um die für den Bau des kaiserlichen Palais erforderlichen Materialien zu beschaffen.
    Trotz der kurzen Bauzeit, die mit dem Setzen der
Alem
genannten Verzierungen auf der weithin sichtbaren Zeltkuppel beendet wurde, war die Ausstattung von Anfang an überwältigend. Selanikî spricht von dem Fayenceschmuck, Seidenteppichen, kleinen bestickten Matten, über und über mit Gold verzierten Kissen sowie Kugelgehängen, die mit Edelsteinen und Perlen geschmückt waren. Den Namen «Perlenkiosk» hat das Palais eben wegen dieser von der Kuppel herabhängenden Gebinde erhalten.
    Zur Eröffnung, die in den Frühling fiel, «in die Saison der Rosen und Kirschen», wie Selanikî schreibt, erschien der ganz in Weiß gekleidete Padischah auf einem überreich geschmückten Pferd. In seiner Begleitung befanden sich der Oberstallmeister, zu seiner Linken und Rechten gingen die Steigbügelhalter. Sinân Pascha mit seinem großen Zeremonialturban erwartete den Sultan mit respektvoll gefalteten Händen. Der Sultan betrachtete zunächst den Pavillon von einem Schattendach aus und rief recht unpassend: «Oh, hätte man dieses Schloss innerhalb der kaiserlichen Palastanlagen gebaut.»
    Die Belohnung für die am Bau Beteiligten erfolgte in Form von Ehrengewändern. Selanikî hat auch ihre Verleihung sorgfältig festgehalten. Der Großwesir erhielt drei, der Großadmiral (der wahrscheinlich für den Materialtransport verantwortlich war) zwei dieser Kleidungsstücke. Der Chronist unterstreicht, dass nur Sinân Pascha zum Handkuss zugelassen wurde. Der Architekt musste sich mit einer ganzen Reihe weiterer Würdenträger mit nur einem Gewand begnügen. An die Umstehenden wurden, wie bei hohen Festen üblich, Gold- und Silbermünzen verteilt. Der Tag endete mit musikalischen Darbietungen.
    Am folgenden Morgen kam die Funktion des neuen Palais als Tribüne über dem Meer zur Geltung: Man unterhielt sich bei einem Bootsrennen, an dem sich die Ruderer des Großwesirs, der Wesire, des Agas der Janitscharen, der Steigbügelhalter und der übrigen hohen Hofchargen mit insgesamt 25 Booten beteiligten. Das Boot des Großwesirs gewann, es folgte das des Oberkommandierenden Ferhâd Pascha. Leider verrät Selanikî nicht, welchen Preis der Sultan ausgesetzt hatte. Die öffentlichen Einweihungsfeierlichkeiten gingen mit weiteren kriegerischen Darstellungen auf dem Kabak Meydanı und einer Regatta kleinerer Boote am dritten Tag zu Ende. Am vierten Tag wurden die Vorhänge des Pavillons für ein Gastmahl, das der Sultan den Damen des Harems gab, niedergelassen.
    Murâd III. war nicht nur ein großer Förderer der Künste, er hat auch eine eigene Gedichtsammlung (Divan) und weitere Werke in türkischer und persischer Sprache hinterlassen. Eines seiner Gedichte, in denen er sich die Vergänglichkeit allen irdischen Ruhms bewusst macht, endet mit folgenden Zeilen (Annemarie Schimmels Übersetzung):
    Ach diese Welt ist vergänglich, du täusche dich nicht,
Lege, verblendet, auf Krone und Thron kein Gewicht,
Daß dir die Lande zu eigen, des rühme dich nicht –
    Wacht, meine Augen, vom lässigen Schlummer wacht auf!
Wachet, erwachet, viel schlafende Augen, wacht auf!

    Ich bin dein Sklave

Weitere Kostenlose Bücher