Istanbul: Ein historischer Stadtführer
beschnitten werden sollten, stellte der Großwesir das Serail erneut zur Verfügung.
Ein spektakulärer Vorfall war die Aufstellung von drei Götterfiguren, die İbrâhîm Pascha im Corvinus-Palast von Buda erbeutet hatte. Es hatsich sicher um Renaissance-Bronzen gehandelt, wobei sich nicht mehr klären lässt, ob sie auf dem Hippodrom standen oder mehr oder weniger verborgen hinter den Mauern seines Serails. Der Dichter Figânî, ein begabtes Schandmaul, ließ sich im Jahr 1532 zu einem persischsprachigen Vers hinreißen:
Plan 6: İbrâhîm Paschas Serail am Hippodrom
Zwei İbrâhîms hat es gegeben im Weltenlauf,
Der eine zerstörte die Götzen, der andere stellte sie auf.
Da jeder wusste, dass mit dem ersten İbrâhîm der biblische bzw. koranische Abraham gemeint war, der die altarabischen Idole von der
Ka‘ba
in Mekka heruntergeholt hatte, der zweite aber niemand anderes sein konnte als der Großwesir, den man des Polytheismus als denkbar schlimmstenVergehens bezichtigte, konnte dieser Vers (der aber vielleicht nur ein in einer Runde von Literaturfreunden hingeworfenes Zitat aus älteren Quellen war) nicht ohne Folgen bleiben. Der damals noch sehr junge Dichter wurde festgenommen, gefoltert und gehängt. İbrâhîm überlebte ihn nur eine kurze Zeit. Vom Sultan zu einer
iftâr
-Mahlzeit (mit der man im Ramazân das Fasten bricht) geladen, wurde er im Topkapı Sarayı 1536 erdrosselt.
Eine weitere Beschneidungsfeier im Serail des ehemaligen Großwesirs von 1539 lässt sich nach dem Bericht des Peçevî zusammenfassen:
Am folgenden Tag wurden allen Staatsmännern und Gästen ihre Zelte zugewiesen. Das Gelage begann. Auf den Platz wurden von Meistern als Tiere gestaltete kuriose Figuren gebracht, eindrucksvolle Statuen, Elefanten, Kamele, Giraffen, Schafsböcke, Affen, verschiedene Früchte und Blumen zum Schmuck der Umgebung. Am Tag darauf nahmen die Wesire oben zusammen mit den anderen Großen im Musikpavillon (
mehterhâne
) Platz. Man begrüßte sich per Handkuss, es wurden Geschenke überreicht, danach übergaben die Gesandten ihre Geschenke. Die Vergnügungen begannen mit dem Tanz eines russischen Bären. Man führte Feuerzauber vor, Kunststücke mit Kränzen, das Klettern auf einen eingefetteten Pfosten, es gab aus Baumwolle gefertigte Löwen und andere künstliche Figuren.
Die am besten in Bild und Text dokumentierte Beschneidungsfeier wurde 1582 von Murâd III. für seinen damals schon 16jährigen Sohn Mehmed ausgerichtet. Sie währten nach umfangreichen Umbauten des Serails 52 Tage. Die Operation selbst wurde am 40. Tag durch den Chefchirurgen Cerrâh Mehmed Pascha vorgenommen. Mustafâ Âlî geht in die Einzelheiten: «Es wurde ein kaiserliches Bad errichtet. Denn es macht den Körper eines Menschen weicher und erleichtert den chirurgischen Eingriff. Badewärter und Chirurgen standen bereit. Zuvor wurde der Prinz gebadet.»
1648 schenkte Sultan İbrâhîm das Serail seiner achten Favoritin und befahl die Auskleidung mit Zobelpelzen. Dieser von Na‘îmâ überlieferte Vorgang war der Gipfel der Obsession des Sultans für die schon damals sehr teuren Edelpelze aus Russland. Es wurde angeordnet, einen Kuppelraum des Serails, der auf den Pferdeplatz blickte, mit Zobeln auszustatten. Kurz danach wurde İbrâhîm abgesetzt und getötet.
Reiterspiele
Vor allem an drei Stellen wurde in Istanbul das
Cirid Oyunu
genannte, alttürkische Reiterspiel betrieben: vor den Landmauern, auf dem Cindî genannten Platz im Serail und auf dem Hippodrom.
Cirid
war ein Mannschaftsspiel, wobei die über die Jahrhunderte gleichbleibenden Parteien aus dem inneren Palastdienst nach den Gemüsesorten «Eibisch» und «Kohl»
Bamyacı
bzw.
Lahancı
hießen. Eine häufig zu lesende Erklärung für die skurrile Bezeichnung geht auf den Geschichtsschreiber Atâ zurück:
Nachdem Bâyezîd Yıldırım in die Gefangenschaft des Timur gefallen war (d.h. 1402, in der Schlacht von Ankara), zog sich sein Sohn Çelebî Sultan Mehemmed in die Statthalterschaft Amasya zurück. Er erkannte die Bedeutung der regulären Reiterei für die Kämpfe und nahm sich vor, diese wichtige Truppengattung auch unter den Osmanen zu vermehren. Seinen Sohn (den späteren Sultan) Murâd II. ließ er als seinen Stellvertreter in Amasya zurück und zog sich selber nach Merzifon zurück. Er bildete zwei Schwadronen
Cindî
, die eine in Merzifon, die andere in Amasya; da Merzifon durch seinen Kohl
(lahana)
, Amasya durch eine Bohnenart
(bamya)
berühmt war,
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