Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Patron. Trotz der übrigen Metzger (gemeint ist: obwohl es ja genügend muslimische Metzger gibt) haben sie sich selbst herausgeputzt. Sie ziehen mit geschmückten Läden auf Wägen vorbei, indem sie höchst befremdliche Scherze ausführen.
Bei der Vorführung der Rindermäster erfahren wir, welches lebhafte, an eine Almlandschaft erinnernde Treiben im ostthrakischen Vorland Istanbuls existierte, um die Fleischversorgung der Stadt zu sichern:
Von den Aquädukten Istanbuls aus bis nach Terkos und Karataşlar bzw. zu den Istranca-Bergen gibt es tausend Rindereinzäunungen. Wenn am Kâsım-Tag (der traditionelle Winterbeginn am 8. November) in Istanbul die
Pastırma-
Zeit beginnt, füllen sich diese Gehege mit vielen hunderttausend Mastrindern.
Das äußerste Ende bildeten dann die Verkäufer zweifelhafter Alkoholika. Die allerletzte Gruppe waren die jüdischen Weinschenken. Aus wertvollen Gefäßen boten sie anstelle von Wein Zuckerwasser an. Nach einer längeren Liste von in- und ausländischen Weinsorten fasst Evliyâ seinenBericht der Parade zusammen: Sie habe über 15 Stunden gedauert, drei Tage und drei Nächte ruhten in Istanbul alle anderen Aktivitäten. Einen vergleichbaren Aufzug habe es weder in China, noch in Chorasan oder Indien je gegeben und werde es auch nie geben.
Der Markt und die Preise
Die Behörde gestand eine angemessene Verdienstspanne von 10–15 %, in Ausnahmefällen von 20 % zu. Wie in der Gegenwart wurden vor allem bei Brot Preiserhöhungen vermieden, solange man sich mit Gewichtsverminderungen helfen konnte. In Ausnahmefällen kam auch das Gegenteil vor. Nach einer guten Ernte wurde im Jahr 1776 das Gewicht eines Laib Brots von 100
Dirhem
(ca. 320 g) auf 150 erhöht! Mittels großer Getreidevorräte in den Magazinen von Unkapanı konnte der Staat den Markt beeinflussen. Darüber hinaus mussten die Bäcker Reserven anlegen. Im 18. Jahrhundert gab es eine Vorschrift, welche die Bäcker zu fünf Monatsvorräten zwang. Man kann verstehen, dass sie versuchten, Bestellungen hinauszuzögern, um nicht zu viel Kapital zu binden. Evliyâ nennt 300 Schiffsladungen, die die Gerstendepots in Eminönü jährlich aufnehmen konnten. Die Transportwege des Weizens aus Ägypten waren zwar selten bedroht, doch gab es Ausnahmen wie im Jahr 1656, als Venedig die Inseln am Dardanelleneingang besetzte und das Brot knapp wurde. 1782 löste ein Stadtbrand, dem zahlreiche Getreidemühlen zum Opfer fielen, eine Hungersnot aus. Der tägliche Weizenverbrauch dürfte damals bei 200 Tonnen gelegen haben.
Maximalpreise mussten selbstverständlich häufig angepasst und konnten bei Frischwaren wie Fleisch, Obst und Gemüse schwer durchgesetzt werden. Als der Großwesir von Selîm I. verbilligte Fleischrationen für die Janitscharen forderte, antwortete der Sultan unmissverständlich: «Der Maximalpreis ist überall gleich und gilt für Janitscharen und jedermann, und wenn es zu unterschiedlichen Preisen kommen sollte, lasse ich dich hinrichten!»
Die Großstadt wurde aus dem Hinterland mit Milchprodukten, Obst und Gemüse versorgt. Im Sommer herrschte ein reger Schiffsverkehr zwischen dem griechischen Festland, den Inseln der Ägäis und Kreta. Hauptgetreidelieferanten waren die Schwarzmeeranlieger und Ägypten. Große Teile des Fleischs trafen «zu Fuß» in Form riesiger Hammelherden aus Anatolien und den Balkanländern in Istanbul ein. Wie in der Gegenwart waren die Lebenshaltungskosten außerhalb Istanbuls oft deutlich niedriger.
Abb. 12: Kamelkarawane während des Weltkriegs
(1914–1918)
Der Ägyptische Basar
Safiye Sultan, die Frau Murâds III. und Mutter Mehmeds III., beauftragte Ende des 16. Jahrhunderts den Architekten Davud Ağa mit der «Neuen Moschee» (Yeni Cami) am Ausgang des Goldenen Horns. Davud starb kurz nach der Grundsteinlegung (1598), auch seine beiden Nachfolger konnten den Bau nicht zu Ende führen, weil die ambitionierte Safiye nach der Thronbesteigung ihres Enkels Sultan Ahmed I. (1603) politischen Einfluss und wirtschaftliche Macht verlor. Zu der erst unter Turhan Vâlide Sultan, der Mutter Mehmeds IV., um 1663 vollendeten Moschee gehört als Stiftungsgut der Ägyptische oder Gewürzbasar. Es handelt sich um einen großen, winkelförmig angelegten gedeckten Markt mit rund 100 Läden, von denen wohl von Anfang an die meisten für den Gewürz- und Arzneihandel bestimmt waren. Die Stiftungsurkunde der Turhan Sultan legte die Aufgaben des Wachpersonals fest:
Zwei für die Aufgabe geeignete,
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