Istanbul: Ein historischer Stadtführer
eigenen Marschblock. Evliyâ zufolge soll Murâd IV. auf die Erfassung der verschiedenen Bäckereien für Brot, Blätterteig (
börek
), Sesamkringel (
simit
) und Zwieback (
peksimât
) besonderen Wert gelegt haben. Die Müllmänner werden mit folgenden Worten vorgestellt:
Abb. 11: Der Kiosk an der Serailmauer (Alay Köşkü) ermöglichte dem Sultan den Blick auf den Palast des Großwesirs und die Beobachtung von Aufzügen
Diese Gruppe untersteht dem Müllaufseher. Ihre Arbeit besteht darin, den in sämtlichen Häusern und öffentlichen Straßen von Istanbul angefallenen Unrat in Körben zu sammeln und am Ufer des Meers in Bottichen auszuwaschen. Sie freuen sich riesig, wenn sie Silbermünzen, Haken, Nägel und andere Dinge finden. Manchmal stoßen sie auf ungeheuer wertvolle Sachen wie Edelsteine, die aus
İstifans
, Reiherfeder-Aigretten oder mit Edelsteinen geschmückten Gürteln herausgefallen sind, so dass es sich gar nicht beschreiben lässt. Diese Gruppe führt jedes Jahr an den Müllaufseher 60.000 Silberstücke ab. Dafür ist es ihnen erlaubt, den Müll zu durchsuchen … Diese Gruppe besteht aus 500 Personen. Sie tragen riesige schwarze Stiefel, die von der Sohle bis zur Leistengegend reichen, Kaftans aus rot-schwarzem Leder und (hohe und spitze) Kopfbedeckungen wie die Leute im (südanatolischen) Teke und Hamid. Über die Schultern haben sie an langen Stangen eiserne Schaufeln gelegt, auf dem Rücken runde Holzeimer.
Die nächste Gruppe bestand aus den 2008 Totengräbern Istanbuls. Sie begleiteten das Heer auf Feldzügen: «Ihnen wurde befohlen, in Zeiten von Eroberungskriegen alle Glaubenszeugen beizusetzen.» Auch die folgende Gruppe war mit Hacken und Schaufeln, Bottichen und Körben bewaffnet. Es waren vor allem Armenier aus Kayseri. In Istanbul waren sie für die Reinigung der Kloaken zuständig. Im Krieg bestand ihre Aufgabe darin, für die Heeresangehörigen Aborte zu schaufeln. Sie hatten aber auch als Mineure eine große militärische Bedeutung. Sie legten Stollen unter den Mauern feindlicher Festungen an, füllten diese mit Pulver auf und jagten sie in die Luft. Sie rochen nicht besonders gut …
Die zweite Abteilung bestand aus Organen der Rechtspflege und einem Teil ihrer «Kundschaft». Für die innerstädtische Ordnung sorgte eine Janitscharen-Einheit unter dem
Asesbaşı.
Auch die Henker waren vertreten. Entschieden das höchste Prestige hatte gleichsam als Kontrast der folgende Block von «religiösen Spezialisten» und «Intellektuellen»: Militärrichter, Standartenträger, Imame, Freitagsprediger. Richter und Mollas, Scheichs, Koranausleger, Spezialisten, die den
Hadîs
überliefern und lehren, Gebetsrufer (unter ihnen Evliyâs Patron Bilâl), Sufis, Verwalter frommer Stiftungen, Gerichtsdiener, diverse Rezitatoren, Buchhändler, Dichter, öffentliche Erzähler, Astrologen, Leichenwäscher, Medresestudenten.
Im zehnten Block finden wir die fleisch- und milchverarbeitenden Berufe, Metzger, Schlachter, Schaf- und Rinderzüchter, die Betreiber von Käsereien und viele andere mehr.
Sie haben in den vier Gerichtsbezirken von İslâmbol 999 Läden und zählen 1700 Mann. Ihr Patron ist seine Heiligkeit Cömerd, der Fleischhauer. In Gegenwart des erhabenen Propheten legte er dem Erhabenen Ali den Zunftgürtel an und wurde zum Patron der Fleischhauer. Sein Grabmal ist in dem paradiesgleichen Bagdad. Die meisten Angehörigen dieser Zunft sind Janitscharen. Alle sind sie gut bewaffnet. Sie paradieren mit Wagen und Traggestellen, auf denen Hunderte mit prächtigen Stoffen und bunten Blüten geschmückte Läden sind.
Evliyâ schwärmt von den vierzig bis fünfzig Okka schweren Turkmenenhammeln und Hammeln aus Karaman, den Köpfen und Haxen von den fetten und merkwürdigen Hammeln aus Mıhaliç und Osmancık bei Bursa und von Kilia am Schwarzen Meer. Die Fleischer hatten sie abgehäutet und das weiße Fett ihrer Körper mit purpurfarbenen «Küchenrosen» und gelbem Safran bemalt, die Hörner der Hammel wurden mit Silberpapieren und Folien aus reinem Gold verziert. Während die Zunftwagen vorbeizogen, zerteilten die Fleischerlehrlinge viele hundert Hammel in Hälften und Viertel. Juden und Griechen hatten ihre eigenen Metzgervereinigungen. Letztere betätigten sich auch als Pferdeschlächter. Über die Zunft der jüdischen Metzger mit 55 Läden und 200 Mitgliedern schreibt Evliyâ:
Die Verfluchten essen das Fleisch nicht, das Muslime geschlachtet haben. Es sind Verfluchte ohne (eigenen)
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