Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Feuer zu schützen. Im Inneren wurden kostbare Waren durch Makler
(dellâl)
angeboten, die selbst keine Ladengeschäfte hatten, sondern sie durch den Bedesten trugen.
Der Gewerbetreibende ist der Freund Gottes
Der im Aleppiner Exil schreibende Nâbî hatte in seinem Lobgedicht auf Istanbul unterstrichen, dass es in der Stadt zahlreiche Gewerbe und Künste gebe, von denen man in der Provinz nicht einmal den Namen wisse. In der Tat gehört die Aufgliederung der Handwerker und Händler in hoch spezialisierte Berufsgruppen (bei Evliyâ sind es 1100 verschiedene!) zu den Besonderheiten der Metropole Istanbul. Aus organisatorischen Gründen hatten sich viele von ihnen zu größeren Gilden
(esnâf)
zusammengeschlossen, die eifersüchtig über ihre Privilegien wachten. Der
Kethüdâ
, eine Art Obermeister, stellte die Verbindung zwischen den Gilden und der staatlichen Autorität her. Eine größere Zahl von Gilden setzte sich aus muslimischen
und
christlichen Meistern und Gesellen zusammen, die sich gelegentlich das Sprecheramt streitig machten.
Wie in anderen Teilen des vormodernen Europa waren Preisabsprachen und Wettbewerbsbeschränkungen nur teilweise erfolgreich. In Istanbul wachte, wie in anderen osmanischen Städten auch, ein Marktaufseher
(muhtesib)
über die Einhaltung von Preisen bzw. Maßen und Gewichten und kontrollierte die Hygienevorschriften. Eine Verordnung von 1502 wandte sich u.a. an eine Gruppe von
Fast Food-
Verkäufern:
Die Besitzer von Garküchen, die Verkäufer von gekochten Hammelköpfen
(başçı)
, die Hersteller von Blätterteig mit Füllung
(börek)
, kurz alle Verfertiger und Verkäufer von Speisen müssen diese sauber und gründlich zubereiten. Sie haben die Teller mit sauberem Wasser zu waschen und mit reinlichen Tüchern trockenzureiben. Sie dürfen die Teller nicht in einem Küchengeschirr odermit gebrauchtem Wasser abwaschen. Ihre Kessel und ihre Schöpflöffel dürfen nicht ohne Zinnüberzug sein. Sie sind immer (neu) zu verzinnen, wenn notwendig. Der Marktaufseher wird Missetäter mit Zustimmung des Kadis verprügeln lassen, aber keine Geldstrafe erheben.
Der Hinweis auf die Erneuerung der Zinnauflage sollte Erkrankungen vorbeugen, die von Kupferoxyden ausgelöst werden. Eine möglicherweise unter Süleymân I. entstandene, aber noch unter Mehmed IV. redigierte Sammlung von Marktregeln enthält auch einen Absatz über das Kochen von Kutteln
(işkembe)
aus Schafsmagen: «Die
İşkembecis
sollen die Kutteln reinigen, in sauberem Wasser abwaschen und kochen. Essig und Knoblauch soll ausreichend dazugegeben werden. Im Übrigen gelten dieselben Bedingungen wie für die Köche.»
Die Musterung der Istanbuler Zünfte im Jahr 1638
Vor seiner erfolgreichen Kampagne, in der er Bagdad von den Persern zurückgewann, ließ Sultan Murâd IV. 1638 alle Berufsgruppen Istanbuls, also nicht nur die Handwerkervereinigungen, an sich vorbeiziehen. Der Sultan betrachtete die Parade von einem Fenster des «Prozessionspavillon» (Alay Köşkü) genannten Gebäudes an der Serailmauer (der Empirebau am Eingang zum Gülhane-Park ist sein Nachfolger und stammt aus dem frühen 19. Jahrhundert). Die Rangfolge war nicht allein durch das Ansehen einzelner Berufe bestimmt, sondern durch ihre Bedeutung im Kriege. Die Parade bot Gelegenheit, unbotmäßige Gruppen zu disziplinieren. «Wer sich widersetzt», drohte der Sultan, «den lasse ich vierteilen.» Der wichtigste Zeuge dieser in der Geschichte der Stadt einmaligen Veranstaltung war Evliyâ Çelebî, der den Sultan von «seinem Istanbuler Heer» sprechen ließ. Evliyâs Zunftliste vermittelt eine gute Vorstellung von der Vielfalt der religiösen, zivilen und militärischen Organisationen der Stadt. Jedenfalls gehört ein Bericht über die 1100 «Zünfte» in 57 kürzeren und längeren Kapiteln zu den in der Sache ergiebigsten, in der Darstellung amüsantesten Teilen seines Riesenwerks. Nie vergisst er, den Patron
(pîr)
der einzelnen «Zünfte» anzuführen. In vielen Fällen gibt der Berichterstatter Einzelheiten zur Stärke der Berufsgruppe, ihrer Lokalisierung, die Namen von Kleidungsstücken und Werkzeugen.
Der Umzug wurde von militärischen und zivilen Palastchargen eröffnet. An der Spitze des Zuges folgten wenig angesehene Gruppen, wie dieEinsammler von Hundekot (einem wichtigen Rohstoff für Gerber) und Totengräber. Die Sicherheitskräfte bildeten neben ihrer Klientel, den Taschendieben, Zuhältern von Knaben, männlichen Prostituierten usw. einen
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