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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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an Saadâbâd erwachte jedoch schon wenige Jahrzehnte später. Unter Abdülazîz entstand sogar eine 1999 renovierte Moschee.
    Im Großen und Ganzen aber war das Tal ein Ausflugsort für alle Istanbuler. Mehmed Tevfîk beschreibt in seinen Erinnerungen an das alte Istanbul den Weg nach Kağidhâne und die Vergnügungen von Alt und Jung. Dieser Text ist natürlich auch eine Illustration für die traditionelle Freizeitgestaltung an anderen Ausflugsorten der Stadt, wie den entsprechenden «Süßen Wassern Asiens» am Bosporus.
    Mag man nun zu Wagen oder mag man zu Boot hinausfahren: der erste Ort, nach dem man sich wenden und den man besuchen muß, ist Eyüp. Die Männer verrichten dort das Freitagsgebet, die Frauen unterhalten und ergötzen sich in der Zwischenzeit ein wenig auf dem «Grabmal-Garten» genannten Platze. Da das
Kebab
von Eyüp so berühmt ist wie die Hammelbeinsülze (
paça
) von Beykoz und der Schafs- und Lammskopf von Samatya, so essen diemeisten Leute nach dem Gebet ein wenig Braten und darauf eine Portion süßen Rahm. Auf dem Markte von Eyüp ergänzt man seinen Proviant, wenn bei den für den Ausflug mitgenommenen Lebensmitteln etwas fehlen sollte. Wer einen Wagen hat, steigt nunmehr in seinen Wagen, wer ein
Kayık
hat, in sein Boot, und so setzt man den Weg weiter fort, ebenso wie die zu Fuß Wandernden, die stolz sind auf ihr Fußwerk. Kindern macht es keinen geringeren Spaß, aus dem im Tal wachsenden Schilfgras Mützen zu fertigen, als sich gegenseitig die kleinen Leinwandkäppchen zu rauben.
    Mehmed Tevfîk schildert nun, wie sich die Ausflügler unter den Bäumen lagern, ihre Decken ausbreiten und nach Herzenslust essen und trinken. Für die kleinen Kinder werden Hängematten ausgespannt. Die Männer lassen sich getrennt nieder und unternehmen kleine Spaziergänge. Dann kommt er auf Lustbarkeiten zu sprechen, die in der Vergangenheit «nicht so zahlreich wie jetzt, sondern sehr beschränkt waren».
    In Wirklichkeit aber war damals der schamlose Knabentanz
(köçek)
, dessen Unterdrückung die Regierung dann späterhin für gut befand, noch erlaubt. Er gehörte zu den größten Unzuträglichkeiten, da er die Genußsucht bis zu den äußersten Graden der Zügellosigkeit anstachelte. Er war zudem auch gar kein spezielles Frühlingsvergnügen. So konnte man im Sommer jede Nacht bis an den frühen Morgen in Kara Ağaç und Silihdar Ağa die Unterhaltung des
Köçek-
Tanzes genießen. Ja, auch die Tänze der Zigeunerweiber zum Begleitungsgeschrei von Liedern und Weisen gehörten sicherlich zu den Auswüchsen, deren Abschaffung man nur wird billigen können. Zu jener Zeit aber existierten sie noch. Der Taschenspieler galt als das unterhaltendste unter den gewöhnlichen Unterhaltungsmitteln, der bulgarische Dudelsack als das verbreitetste. Es gehörte in der Tat zum unterhaltendsten Zeitvertreib, wenn man inmitten der Frühlingslust sich einen der schönsten Punkte von Kağıdhâne auswählte, nämlich sich an eine abseits von der Menge liegende Stelle zurückzog, und wenn man dazu noch das Glück hatte, irgendeine prächtige Musik dabei anzutreffen. Für die Frauen gab es noch ein weiteres Vergnügen, nämlich in dem Gebäude in der Nähe des Schlosses von Baharîye sich zu schaukeln und sich möglichst stark in Schwung zu bringen. Jetzt ist weder jenes Gebäude noch jene Schaukel mehr vorhanden.
    Die Frauen hatten sich mit Decken und Stricken, um eine Schaukel aufmachen zu können, und Picknickkörben ausgestattet. Mehmed Tevfîk unterstreicht die Sonderbehandlung, die Frauen in Kağidhâne genossen: Ältere und sittenstrenge Gärtner
(bostancı)
des Serail führten die Aufsicht über die jüngeren Burschen, die den Frauen den Kaffee brachten. «Aberwenn sie die Platte vor die Decken, auf denen die Frauen saßen, hinstellten, pflegten sie den Kopf nach rückwärts zu wenden.» Einer ähnlichen Zurückhaltung befleißigten sich die Süßwarenhändler und Eisverkäufer: «Um an die Frauen herankommen und um Gefrorenes und Gelee verkaufen zu können, durften sie ihrer Persönlichkeit nach nicht von angenehmem Äußeren und jugendlich sein. Es kamen wohl an solche Orte die ältesten Mitglieder der betreffenden Händlerzunft.» Am Goldenen Horn waren die Mondscheinnächte nicht weniger beliebt als am Bosporus:
    Die wonnigste Unterhaltung von Kağidhâne ist die Mondscheinillumination (
mehtâb
) der Kaskaden. Das Herabfluten des Mondlichtes auf jenen künstlichen, reichlich strömenden Bach, dessen

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