Italien zum Verlieben (German Edition)
schrecklich allein und verlassen und
weinte nun aus vollem Hals.
Nach einiger Zeit kam ihr noch ein anderer Gedanke: Wie
schlimm hatte es für Lisa sein müssen, den Mann den sie
liebte mit eigenen Händen erfolglos zu versuchen zu reanimieren.
Oh wie schrecklich! Sie versuchte all diese Gedanken zu verdrängen,
wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und kämpfte darum,
wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Sie ging wieder ins
Schlafzimmer, holte ihren Rucksack aus dem Schrank und stopfte ein
paar Klamotten hinein, nahm ihre Handtasche und verließ das
Haus.
Um acht, als die Redaktionssekretärin als erste von
allen ihre Arbeit begann, war sie bereits auf der Autobahn und gab
nun mit dem Handy Bescheid, dass sie heute nicht kommen würde.
Sebastian sagte sie noch nichts. Sie wollte momentan von niemandem
getröstet und bemitleidet werden, weinen würde sie noch
genug müssen. Während der Fahrt hatte sie viel Zeit, um
über die Vergangenheit nachzudenken und wie wertvoll doch eine
unbeschwerte Kindheit war. Die hatte sie wirklich gehabt. Sie hatte
die besten Eltern, die man sich nur wünschen konnte und es war
ein so wahnsinnig hilfloses Gefühl jetzt nicht zu wissen, wem
sie die Schuld dafür geben konnte, dass sie nun ganz allein war.
Ihr fiel ihr letztes Gespräch von vor einer Woche
wieder ein. Wie ernst und fürsorglich er ihr da wieder seinen
Rat geben wollte. Wenigstens hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn
liebte. Das war ihr auch ein großer Trost, wenn sie an den Tod
ihrer Mutter dachte, damals, als sie noch ein unbeholfener,
aufmüpfiger Teenager war und gar nicht so recht realisierte, was
die Konsequenz daraus sein würde, dass ihre Mutter zwei Jahre
vor ihrem Tod so krank wurde. Erst als es dann schon zu spät
war, war sie aufgewacht und hatte sich wie ein betrogenes, dummes
kleines Kind gefühlt. Doch sie hatte ihr noch am Abend bevor sie
starb tief in die Augen gesehen, ihre Hand gestreichelt und ihr
gesagt, dass sie sie lieb hatte.
Seitdem war es ihr immer wichtig, mit den Menschen die
sie liebte nie im Streit auseinander zu gehen, so musste sie sich
selbst, falls etwas Schlimmes passierte, wenigstens nicht ihr Leben
lang Vorwürfe machen. Dass sie mit ihrem Vater im Reinen war,
war momentan der einzige Trost den sie hatte und so hielt sie diesen
Gedanken fest und redete sich ein, dass er nun wieder mit ihrer
Mutter zusammen sein würde. Er hatte ihren Tod ohnehin all die
Jahre nie überwunden und auch wenn er sich angestrengt hatte,
sich nichts anmerken zu lassen, hatte ihn diese Trauer nie aufgehört
innerlich zu zermürben. Würden sie jetzt zusammen irgendwo
weiterleben?
Damit kam ihr noch ein anderer Gedanke. Sie wusste, dass
ihre Mutter sich in der Zeit, in der sie so krank war, sehr mit Gott
beschäftigt hatte. Vielleicht aus Angst vor dem Tod? Anna wusste
es nicht und hatte das auch nie so wirklich ernst genommen, aber ihr
Vater hatte nach ihrem Tod ebenfalls angefangen, in der Bibel zu
lesen, die immer neben dem Bett seiner Frau lag. Vielleicht war es
ihm ja eine Art Strohhalm an den er sich klammern wollte, Anna wusste
es nicht, sie hatte ihn nie danach gefragt. Doch nun machte ihr
dieser Gedanke etwas Mut. Wer weiß, vielleicht gab es ja einen
Gott und vielleicht waren ihre Eltern jetzt bei ihm. Es bestand
zumindest die Möglichkeit.
Anna blieb das ganze Wochenende bei Lisa. Sie hatten die
schreckliche Aufgabe die Beerdigung zu organisieren. Sie sollte am
kommenden Samstag sein. Lisa meinte, Ingrid habe ihr angeboten, in
ihr Haus nach Hamburg zu ziehen und der Gedanke gefiel ihr gut. Mit
den zwei kleinen Bälgern hatte Ingrid ohnehin genug zu tun und
Lisa würde sich sehr freuen, sie im Haushalt unterstützen
zu können. "Außerdem weißt du ja, dass es von
dort nicht weit ist nach Altona und Sankt Pauli und da muss man schon
ein Auge darauf haben, dass die beiden, wenn sie einmal etwas älter
sind, nicht in die falschen Kreise geraten." Es ermutigte Anna,
dass Lisa so tapfer in die Zukunft sah. Man merkte ihr deutlich den
Schock an, doch sie versuchte so gut es ging, Haltung zu bewahren.
Sie hatte ja auch keine Wahl. Man konnte das Geschehene nicht
umkehren und musste zusehen, wie man selbst weiter überlebte.
Lisa hatte bereits vor zehn Jahren einen Mann verloren und ihr Leben
würde auch diesmal weitergehen. Anna war froh, dass Lisa zu
ihrer Tochter konnte. Dort würde sie gut aufgehoben sein. "Und
dein Sebastian wird sich sicher auch gut um dich kümmern, nicht
wahr?"
Anna
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