Italienische Märchen
»Herrjemine, die Esel sind wirklich da!« Es war noch dunkel in dem Stalle, der kein Fenster hatte, und dessen verschlossene Türe nur durch einen Spalt einen Schimmer des Tags hineinfallen ließ. Gockel tappte an der Wand nach seinem Knotenstock herum, und plötzlich wurde er von ein Paar zarten Armen herzlich umschlossen, so daß er laut aufschrie: »Um Gottes willen, wer ist das?« Aber die Unbekannte hörte nicht auf, ihn mit den zärtlichsten Küssen zu bedecken, und als Frau Hinkel auch dazukam, ging es derselben nicht besser; und da sie sich in diese Liebkosungen gar nicht finden konnten, sagte endlich das unbekannte Wesen mit einer wohlbekannten Stimme zu ihnen: »Ach, kennt ihr denn euer Töchterlein Gackeleia gar nicht mehr?« – »Du? Gackeleia?« riefen beide aus. »Nein, das ist nicht möglich, du bist ja eine erwachsene Jungfrau.« – »Ach, groß oder klein«, antwortete es, »ich bin doch eure Gackeleia«, und da riß sie die Türe auf, und es fiel zu gleicher Zeit so viel Fremdes und Wunderbares in die Augen des alten Gockels und der Frau Hinkel, daß sie sich einander in die Arme sinken und herzlich weinen mußten. Denn erstens sahen sie wirklich die ganze Gackeleia vor sich, aber nicht mehr als ein kleines Mädchen, sondern als eine blühende, wunderschöne, allerliebst geputzte Jungfrau, und zweitens sahen sie sich selbst beide nicht mehr alt und in Lumpen, sondern als zwei schöne wohlbekleidete Leute in den besten Jahren, und drittens sahen sie durch die Türe nicht mehr in einen verfallenen, mit Schutt und wildem Unkraut bewachsenen Burghof hinaus, sondern in einen schön geplatteten, reinlichen Hof, von schönen Schloßgebäuden und allen Wohnungen und den Ställen umgeben, in der Mitte aber, an einem plätschernden Springbrunnen, sahen sie drei verdrießliche alte Esel mit langen Ohren angebunden, welche die Köpfe zusammendrückten, als ob sie sich schämten. Auch sahen sie allerlei Gesind in schönen Livereien geschäftig auf und nieder gehen, die immer, so oft sie am Hühnerstall vorüberkamen, tiefe Verbeugungen machten und schönen guten Morgen wünschten.
»Ach, was ist das? Es ist nicht möglich! Woher alle diese Wunder?« rief Gockel aus; da reichte Gackeleia ihm ihre schöne Hand und sah ihm freundlich lächelnd in die Augen, und Gockel schrie mit lautem Jubel aus: »Ach, der Ring! Der köstliche Ring Salomonis ist wieder da, den du durch die Puppe verloren!« Da sagte aber Gackeleia gleich wieder:
Keine Puppe, es ist nur
Eine schöne Kunstfigur,
und Gockel sagte: »Meinetwegen, ich will dir die Rute nicht mehr geben, du bist auch zu groß dazu, und alles ist ja wieder gut.« – »Aber wie hast du alles angefangen?« sagte Frau Hinkel, welche immer um die schöne, prächtige Jungfrau herumgegangen war, sie zu betrachten und zu küssen und zu drücken; »um Gottes willen, Herzwunder Gackeleia, erzähle!« – »Ja, erzähle!« rief Gockel und drückte sie herzlich an seine Brust.
Gackeleia aber erwiderte: »Lobet mich nicht zu sehr, geliebter Vater, denn all unser neues Glück haben wir allein Euch selbst zu verdanken.« – »Mir?« fragte Gockel, »das müßte seltsam zugehen. Ach, ich habe ja nichts tun können, als vor den Häusern, nach dir suchend, bettelnd herumzuziehen.« Da sagte Gackeleia: »Schon gut! Ihr sollt alles hören, folgt mir nur nach einer andern Stube; wir wollen das wiederhergestellte Stammschloß unsrer lieben Vorfahren einmal ein wenig durchmustern, wir werden gewiß ein Plätzchen finden, wo es uns besser gefällt als in dem alten Hühnerstall, in dem wir ohnedies dem Federvieh Platz machen wollen, das gleich wieder hinein muß.« Da drehte Gackeleia den Ring und sprach:
Salomon, du weiser König,
Dem die Geister untertänig,
Fülle gleich den Hühnerstall!
Laß die bunten Hühner all
Gackeln, scharren, glucken, brüten,
Sie vom hohen Hahn behüten!
Alle soll er übersehen,
Stolz mit Spornen einhergehen,
Kamm und Sichelschweif hoch tragen,
Streitbar mit den Flügeln schlagen,
Krähen wie ein Hoftrompeter,
Daß bei seinem Anblick jeder
Ganz mit Wahrheit sagen kann:
Das ist recht ein Rittersmann.
Bringe uns auch schöne Pfauen,
Die bei ihren grauen Frauen
Goldne Augenräder schlagen,
Abends nach der Sonne klagen.
Gieb uns dann auch welsche Hahnen,
Zornig-schwarze Indianen,
Solch hoffärtige Gesellen,
Denen rot die Hälse schwellen,
Die sich kollernd neidisch blähen,
Wenn sie rote Farbe sehen,
Aufgespreizt mit Hofmanieren
Um die Hennen her
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