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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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befestigt war; ich löste diesen Draht mit Behutsamkeit auf, und die Mäuseprinzessin machte die lustigsten Freudensprünge vor mir her durch das Gras. Ich folgte ihr nach, aber sie eilte so sehr, daß ich sie oft aus dem Gesicht verlor; wenn ich dann ängstlich rief: ›Mäuseprinzessin, laß mich nicht im Stiche!‹ pfiff sie laut und sprang vor mir hoch aus dem Gras in die Höhe, wodurch ich mich wieder zurechtfand.
    Als wir ungefähr eine halbe Stunde gegangen waren, hörte ich ein großes Gepfeife und sah um einen Hügel herum die Residenz des Mäusekönigs im Mondschein liegen, die ich auch gleich beschreiben will. Kaum hatte die Prinzessin sich am Tor der Stadt gezeigt, als es aufflog und ein freudiges Gepfeife durch die ganze Stadt und das oben liegende Schloß sich verbreitete, aus welchem viele weiße Mäuse ihr entgegenstürzten und sie mit großem Jubel empfingen. Sie wollte aber nicht in das Schloß hinein, sondern drehte sich abwechselnd gegen mich und die Ihrigen, welchen sie von mir zu erzählen schien, so daß alle die Mäuse bald ihre Köpfchen gegen mich aufhoben und allerlei pfiffen, was ich nicht verstand. Da sagte ich zu ihnen: ›Ihr lieben Mäuse, gleich will ich mich schlafen legen, damit ich eure Gespräche verstehen kann‹, und kaum hatte ich das gesagt, als sie auch zu Tausenden anströmten und das zarteste Moos an einen trocknen Ort unter einer großen Eiche zusammentrugen. Ich sah wohl, daß dies ein Bettchen für mich werden sollte, und betrachtete mir unterdessen die schöne Mäusestadt.
    Oben auf dem Hügel lag das königliche Schloß, ein weites Viereck von großen holländischen Käsen zusammengelegt, die alle auf das reinlichste ausgenagt waren; alle Türen und Fenster waren zwar etwas nach altem Geschmack und nicht ganz gleichförmig verteilt, doch hatte die Burg ein ehrwürdiges Ansehen. Rings um das Schloß her und selbst auf seinen Dächern waren die schönsten Gärten von Schimmel angelegt, den ich nie höher und leichter gesehen habe. Türme von Käserinden, mit Mandelschalen statt Ziegeln gedeckt, gaben dem Gebäude eine besondere Zierde. Die Häuser der Untertanen bestanden aus hohlen Kürbissen und Melonen und Kommißbroten und Semmeln; einige wohnten auch in alten Stiefeln und Schuhen. Und alle die Wohnungen lagen in Reih und Ordnung um den Hügel herum und hatten größere und kleinere Anlagen von Schimmel um sich her. Auch bemerkte ich viele Höhlen in die Erde hinein, welches ihre Keller und Vorratskammern waren. Das Schönste war in der Mitte des Hügels, auf einem weiten freien Platz, eine große gotische Kirche, von weiß gebleichten Pferdeschädeln zusammengebaut und von tausend kleinen Knochensplittern verziert und verspitzt; um sie her aber war der Kirchhof, Grab an Grab schön geordnet, und mitten drauf ein Beinhaus von lauter Mäusegerippen und Beinchen, weiß wie Elfenbein, in schönster Ordnung zusammengelegt. Alles das konnte ich nicht genug bewundern, und der Mond schien so hell in die kleine wimmelnde Welt, daß es eine Lust war, hineinzuschauen.
    Währenddem war mein Mooslager fertig geworden, und ich war so müde, daß ich mich drauf niederlegte und entschlief. Da versammelte sich denn die ganze königliche Familie und ihr ganzer Staatsrat um meinen Kopf, und ich konnte alle ihre Gespräche vernehmen. Nachdem der Prinzessin Sissi nochmals von ihrem Gemahl und von ihren Eltern Glück gewünscht worden war zu ihrer Rettung, sagte sie, wie man die Gelegenheit nicht versäumen müßte, der Familie des Rauhgrafen Gockel, welcher sie zum zweitenmal so verbindlich geworden, sich dankbar zu erzeigen. Sie erzählte, daß ich ihretwegen die Rutenschläge standhaft erlitten. Da sagte ein alter Rat, die Rute hätte ich wohl verdient, weil ich einstens eine so große Katzenfreundin gewesen, und es sei überhaupt zu überlegen, ob ich nicht eine Spionin der Katzen sei. Dieser Verdacht ängstete mich dermaßen, daß ich mich selbst mit Tränen dagegen verteidigte, und zwar so nachdrücklich, daß dem alten Rat das Maul verboten wurde. Prinz Pfiffi gab endlich der ganzen Sache den Ausschlag mit folgenden Worten:
    ›Nach der unglücklichen Nacht, in welcher meine geliebte Sissi in die Gefangenschaft der alten Petschierstecher kam, welche sie unter die Puppe befestigten, machte ich viele Reisen durch die Welt, um sie wieder aufzusuchen. Ich hatte die alten Schelmen ganz aus dem Gesicht verloren, und so kam ich einst über Nacht in ein Schloß, um da zu übernachten. Da

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