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Italienische Märchen

Italienische Märchen

Titel: Italienische Märchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Brentano
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sah ich drei junge, freche Gesellen in einem Saale in heftigem Zank, und zwischen ihnen lag ein schöner Ring, nach welchem sie während ihrem Streit einer nach dem andern heftig hingriffen, sich aber immer wieder einander davon zurückstießen. Sie hatten jeder eine andre seltsame Uniform und nannten sich Kommerzienrat, Hoffaktor und Hoflieferant und schrien und lärmten ganz gewaltig. Jeder warf dem andern vor, er wolle ihn übervorteilen, jeder wollte den Ring vor allen andern haben, und endlich sagte der eine: »Ich muß ihn von Rechts wegen statt aller tragen, und wer von euch beiden etwas gewünscht haben will, der kömmt zu mir und giebt mir einen vollwichtigen Louisdor, so wünsche ich ihm etwas. Ich müßte den Ring bewahren, denn ich habe die Maus gefangen und unter die Puppe geheftet, durch welche der Ring gewonnen worden ist.« – »Was soll mir das?« sagte der andre. »Habe ich nicht den falschen Ring gemacht, welcher für den echten ist hingegeben worden?« Dann schrie der dritte: »Was soll mir das? Habe ich nicht die Puppe mit der Maus der kleinen Gackeleia gegen den Ring aufgeschwätzt? Bin ich es nicht, der euch den Ring gebracht, durch dessen Besitz wir uns an Gockel gerächt und uns jung und schön zu vornehmen Standespersonen gemacht haben?« Sie waren im Begriff, sich in die Haare zu fallen, aber ich hatte genug gehört, ich wußte, daß Sissi lebte, und daß sie zu Gelnhausen bei der kleinen Gackeleia in einer Puppe stecke. Gleich begab ich mich wieder auf die Reise. Aber in Gelnhausen auf dem Markt erfuhr ich von einer Menge Mäusen, welche dort in allerlei Küchenabfall nagten, der umherlag, wo die rauhgräfliche Küche gestanden, daß Gockel und Hinkel und Gackeleia arm und lumpicht ins Elend gezogen seien. Nun suchte ich diese guten Leute auf und fand sie betrübt, daß Gackeleia der fatalen Puppe nachgelaufen sei. Ich machte mich nun von neuem auf den Weg, und so war ich denn endlich so glücklich, dich, liebe Sissi, und deine Freundin Gackeleia hier wiederzufinden. Jetzt aber halte ich es für das beste, wenn wir dem Gockel den Ring wiederverschaffen, und ich glaube, in eigner Person das ausfuhren zu können.‹ – ›Nein‹, rief da die Prinzessin Sissi, ›ich will auch dabei sein, du bist zu ungestüm, wir wollen es zusammen versuchen, und Gackeleia soll auch mitgehen.‹ – Da sprach ich: ›Ja, ja, das wollen wir, und ich verspreche euren königlichen Eltern, wenn ich den Ring wiedererhalte, einen Zentner der schönsten holländischen Käse und einen Sack der besten Knackmandeln, ihre Residenz neu erbauen zu können, und dazu noch einen Zentner der besten Schinken zu allgemeiner Belustigung der Nation, und sonst alles, was dem edeln Volk der Mäuse lieb und angenehm sein kann.‹ – ›Ach‹, rief da der alte König aus, ›meine liebe Gemahlin sagt mir soeben, daß sie vor ihr Leben gern einmal Königsberger Marzipan und Thornischen Pfefferkuchen und Jauersche Bratwürste und Spandauer Zimtbrezeln und Nürnberger Honigkuchen und Frankfurter Brenten und Mainzer Vitzen und Gelnhäuser Bubenschenkel und Koblenzer Totenbeinchen und dergleichen patriotische Kuchen essen möge.‹
    ›Alles das sollt ihr in Übermaß erhalten‹, sagte ich, ›wenn ich nur erst den Ring besitzen‹ – ›Wohlan‹, sagte der König, ›so mag Sissi und Pfiffi morgen früh gleich mit dir auf das Abenteuer ausziehen; lasset uns aber vor allem in die Kirche einziehen und den Schöpfer um einen glücklichen Ausgang bitten! Schlafe du indessen wohl, liebe Gackeleia, bis wir dich morgen früh erwecken!‹
    Nun begaben sie sich paarweis in einer schönen Prozession in die Kirche, und jede Maus hatte ein Stückchen leuchtendes faules Holz im Maule, welches sie im Vorübergehen aus einer hohlen Weide abbissen, so daß sie wie ein Fackelzug in die Kirche einzogen, und dazu sangen sie folgendes fromme Lied:
Kein Tierlein ist auf Erden
Dir, lieber Gott, zu klein,
Du ließt sie alle werden,
Und alle sind sie dein.
Zu dir, zu dir
Ruft Mensch und Tier.
Der Vogel dir singt,
Das Fischlein dir springt,
Die Biene dir brummt,
Der Käfer dir summt,
Auch pfeifet dir das Mäuslein klein:
Herr Gott, du sollst gelobet sein!
     
Das Vöglein in den Lüften
Singt dir aus voller Brust,
Die Schlange in den Klüften
Zischt dir in Lebenslust.
Zu dir, zu dir
Ruft Mensch und Tier usw.
     
Die Fischlein, die da schwimmen,
Sind, Herr, vor dir nicht stumm,
Du hörest ihre Stimmen,
Ohn dich kommt keines um.
Zu dir, zu dir

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