Italienische Märchen
die blauen Glockenblumen neigten sich freundlich zu ihr, um gebrochen zu werden.
Der närrische Hans aber war mit furchtsamen Schritten bis an eine alte hohle Eiche gegangen, in welcher der Holzapfelklausner ganz zusammengedrückt saß, so daß nur sein weißer Bart wie ein Wasserfall heraushing und seine lange Nase hervorsah, worüber der Hanswurst vor Schrecken mit einem lauten Geschrei sechs Burzelbäume bis zu den Füßen der Prinzessin zurück schlug. ›Ach!‹ rief er aus, ›dort der Eichbaum hat einen Ziegenbock gefressen, der Bart hängt ihm noch aus dem Maule; nun wird er uns beide auch verzehren.‹ Da sah die Prinzessin nach der Eiche und sprach: ›0 du furchtsamer Diener! ich sehe an der langen Nase, daß es ein Mensch ist; gehe hin und frage ihn, wer er ist.‹ Da ging der Hans hin und machte einen langen Hals gegen den Klausner und sprach:
Nase groß und Bart nicht klein!
Einen schönen Gruß von Pimperlein
Bringe ich und frag euch beide:
Ob ihr ordentliche Menschenleute.
Da brummte der Klausner mit dunkler Stimme und zog die Worte gewaltig lang:
Ich bin ein alter Waldbrudererere.
Hans lachte und sagte zu Pimperlein, in dem er die Worte auch sehr lang zog:
Er sagt, er sei ein kalter Stallbrudererere.
Da sprach Pimperlein:
Geh hin und frage noch einmal:
Was soll in diesem Felsental
Wohl ein alter Stallbruder machen?
Das ist gesprochen um zu lachen.
Hans ging wieder hin und sprach:
Nase groß und Bart nicht klein!
Der Prinzessin Pimperlein
Ein Stallbruder zum Lachen ist;
Ich soll fragen, wer du bist.
Da brummte der Klausner wieder sehr lang:
Ich bin ein alter Eremitetete.
Da sprach Hans zu Pimperlein:
Er sagt, er sei ein alter Scherenschmiedetete.
Da sprach Pimperlein:
Geh hin und frage noch einmal:
Was soll in diesem Felsental
Wohl tun ein alter Scherenschmied?
Die Krebse bringen ihre Scheren mit.
Hans fragte nun wieder: Nase groß und Bart nicht klein!
Die Prinzessin Pimperlein
Glaubt nicht an den Scherenschmied,
Sag mir, wer du bist, ich bitt.
Da schnurrte der Klausner wieder:
Ich bin ein alter Einsiedlererere.
Und Hans sagte wieder zu Pimperlein:
Er sagt, er sei ein kalter Leimsiedererere.
Da sprach Pimperlein:
Geh hin und frage noch einmal:
Was soll in diesem Felsental
Ein alter Leimsieder wohl machen?
Das ist gesprochen um zu lachen.
Da fragte Hans wieder, und der Einsiedler sprach:
Ich bin ein alter Anachoretetete.
Da fragte Hans wieder und der Klausner sprach:
Ich bin ein alter Einödererere.
Hans sprach:
Er sagt, er ist ein alter Neuntötererere.
Die Prinzessin ließ fragen, wovon er hier lebe, und der Klausner sprach:
Ich esse Blätter und Gräslein.
Hans sagte:
Er ißt Vetter und Bäslein.
Der Klausner sagte ungeduldig nochmals:
Ich esse Blätter und Gras,
Wurzeln und Kräuter,
Pilze, Schwämme und Beeren,
Käfer, Grillen und Mücken.
Und Hans schnatterte ihm nach:
Er ißt Bretter und Glas,
Schurzfell und Schneider,
Filze, Kämme und Bären,
Schäfer, Brillen und Krücken.
Da ward der Klausner und ich und die Prinzessin Pimperlein zugleich sehr unwillig gegen den Hanswurst, der alle Worte verdrehte, und wir traten alle zugleich hervor: der Klausner aus der hohlen Eiche, ich aus dem Wachholderbusch, und Pimperlein von ihren Glockenblumen, um ihn auszuprügeln; aber er sprang wie ein Hase über den Bach und lief in den Wald, und wir selbst waren so übereinander erstaunt, daß wir ihn laufen ließen. Als der Klausner der Prinzessin nun erzählt hatte, daß er Doktor der Vogelsprache und ich sein Student sei, faßte sie einen guten Mut und sprach: ›Ich bin die Prinzessin Pimperlein und zog mit meinem Vater Pumpam, dem König von Glockotonia, hier durch den Wald; wir waren ausgereist, um den großen goldenen Glockenschwengel zu suchen, der neulich bei einem großen Wettgeläute aus der Hofglocke losriß und über die Stadt hinaus in die weite Welt flog. Ich war mit dem Hanswurst hinter dem Zug des Königs etwas zurückgeblieben, da stieß ich mit meiner Krone gegen einen Zweig und riß mir die kleine goldene Klingel von der Krone, welche immer die Kronprinzessin von Glockotonia tragen muß und darum Pimperlein heißt; das Glöckchen blieb am Baume hängen, und während wir es mit Steinen herabwerfen wollten, kam ein Rabe geflogen und trug das Glöckchen im Schnabel weg. Da wir es immer klingeln hörten, sind wir dem Klang nachgezogen bis hierher, wo der Ton auf einmal verschwand. Nun habe ich mich
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