Italienische Novellen, Band 1
Herstellung des Friedens zwischen den beiden Häusern wünschten.
Es war Fastenzeit, und das Mädchen stellte sich eines Tages an, als wollte sie beichten. Sie ging in das Franziskanerkloster, trat an einen der Beichtstühle, wie sie die Mönche dort haben, und ließ nach dem Bruder Lorenzo fragen. Als er hörte, daß sie hier war, kam er von der Klosterseite her zugleich mit Romeo in denselben Beichtstuhl, schloß die Tür, zog eine durchlöcherte Eisenplatte, welche die Jungfrau von ihnen trennte, hinweg und sprach zu ihr: Ich pflege Euch immer gerne zu sehen, mein Kind; aber jetzt seid Ihr mir teurer als je, wenn es so ist, daß Ihr meinen Messer Romeo zu Eurem Gatten wollt.
Darauf antwortete sie: Nichts wünsche ich sehnlicher, als ihm rechtmäßig anzugehören; darum bin ich hierher gekommen vor Euch, in den ich großes Vertrauen setze, damit Ihr nächst Gott Zeuge seid von dem, was ich, von Liebe bezwungen, zu tun vorhabe.
Darauf wurde denn vor dem Bruder, der das ganze als Beichtgeheimnis betrachten zu wollen versprach, sogleich Romeo mit dem schönen Fräulein getraut und zwischen ihnen die Abrede getroffen, sie wollten die folgende Nacht beisammen zubringen. Sie küßten sich sodann einmal und schieden von dem Mönch, der sein Gitter wieder in die Mauer einfügte und noch anderer Frauen Beichte hörte. So wurden denn die zwei Liebenden auf die angegebene Weise Mann und Frau, genossen mehrere Nächte ihres Liebesglücks und hofften, mit der Zeit Mittel zu finden, um den Vater der Frau zu besänftigen, der, wie sie wußten, ihren Wünschen entgegenstand.
Währenddessen begab es sich, daß das Schicksal, das jeder Lust der Welt feindlich in den Weg tritt, irgendeinen bösen Samen streute, aus dem die fast erstorbene Feindschaft ihrer Häuser neu emporsproßte, so daß es mehrere Tage bunt durcheinanderging, die Montecchi nicht den Cappelletti und die Cappelletti nicht den Montecchi aus dem Weg gehen wollten und sie sich deshalb einmal in der Wettrennenstraße in Masse anfielen. Romeo kämpfte auch mit, hütete sich aber aus Rücksicht auf seine Frau, einen von ihrer Familie zu erschlagen; zuletzt aber, als viele von den Seinigen verwundet und fast alle aus der Straße verjagt waren, übernahm ihn der Zorn: er lief auf Tebaldo Cappelletti los, welcher der Heftigste seiner Familie schien, streckte ihn mit einem Schlage tot zu Boden und trieb die andern, die schon durch Tebaldos Tod in Verwirrung waren, in eilige Flucht. Man hatte schon bemerkt, daß Romeo den Tebaldo erschlagen, so daß also der Mord nicht verheimlicht werden konnte. Es wurde daher Klage beim Fürsten angebracht, und alle Cappelletti schrien immer nur über Romeo, weshalb er denn von dem Gericht auf ewig aus Verona verbannt wurde.
Welchen Eindruck die Nachricht von diesen Vorfällen auf die arme junge Frau machte, kann jeder, der herzlich liebt, wenn er sich in ihre Lage hineindenkt, leicht ermessen. Sie weinte in einem fort so heftig, daß sie niemand zu trösten vermochte; und ihr Schmerz war um so herber, je weniger sie wagte, irgend jemand ihr Unglück zu entdecken. Andererseits war dem jungen Manne der Abschied von der Vaterstadt bloß darum leid, weil er sie verlassen mußte; und da er um keinen Preis hinweg wollte, ohne von ihr einen tränenreichen Abschied zu nehmen, und ihr Haus doch nicht besuchen durfte, so nahm er seine Zuflucht zu dem Mönche, und es wurde ihr durch einen mit Romeo befreundeten Diener ihres Vaters zu wissen getan, sie solle auch dahin kommen, was sie auch tat. Sie gingen beide in den Beichtstuhl und beweinten miteinander heftig ihren Verlust. Am Ende aber sagte sie zu ihm: Was soll ich anfangen ohne Euch? Ich habe keine Freude mehr am Leben. Es wäre besser, ich ginge mit Euch, wohin Ihr geht. Ich will mir diese Locken abschneiden und wie Euer Diener hinter Euch hergehen, und Ihr könnt von niemand besser und treuer bedient werden als von mir.
Da sei Gott vor, mein liebstes Leben, entgegnete ihr Romeo, daß, wenn Ihr mit mir kommen sollt, ich Euch anders denn als meine Gemahlin mit mir führe! Aber da ich gewiß bin, daß die Sache nicht lange auf diese Art fortgehen kann, und daß Friede werden muß unter unsern Familien, wo dann ich auch leicht von dem Fürsten begnadigt werden kann, so meine ich, Ihr sollt einige Tage leiblich von mir getrennt bleiben, denn mein Herz ist unaufhörlich bei Euch; wofern sich aber die Sachen nicht so entwickeln, wie ich vermute, so können wir einen andern Entschluß fassen
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