Italienische Novellen, Band 1
gewöhnlich ist, nahm seinen Anfang. Man steht dabei im Kreise, und der Herr wechselt nach Belieben seine Dame, die Dame ihren Herrn. Bei diesem Tanze nun wurde der Jüngling von einer Dame aufgefordert und zufällig neben das schon verliebte Mädchen gestellt. Zu ihrer andern Seite stand ein edler Jüngling, Marcuccio Guercio mit Namen, der von Natur im Juli wie im Januar immer eiskalte Hände hatte. Als nun Romeo Montecchi (so hieß der Jüngling) links von der Dame zu stehenkam und als, wie es bei dem Tanze gewöhnlich ist, die Schöne seine Hand in die ihrige genommen hatte, sagte das Mädchen auf einmal zu ihm, vielleicht um ihn zum Reden zu bringen: Gottlob, daß Ihr neben mich kommt, Messer Romeo!
Darauf versetzte der Jüngling, der schon ihre Blicke bemerkt hatte, verwundert über ihre Worte: Wie? Ihr sagt »Gottlob«, daß ich komme?
Allerdings, antwortete sie, bin ich froh, daß Ihr neben mich kommt, denn Ihr könnt mir wenigstens diese müde Hand warm halten, während Marcuccio mir die rechte zu Eis erstarren macht.
Romeo wurde dadurch etwas kühner und fuhr fort: Wenn ich Euch mit meiner Hand die Eurige erwärme, so setzt Ihr mit Euren schönen Augen mein Herz in Flammen.
Das Mädchen lächelte ein wenig, befürchtete aber, man möchte sehen oder hören, daß sie mit ihm spreche, und sagte nur noch: Ich schwöre Euch, Romeo, bei meiner Ehre, es ist keine Frau hier, die meinen Augen so wohlgefällt als Ihr.
Darauf antwortete der Jüngling, ganz von Liebe entflammt: Wer ich auch sei, ich bin, wofern es Euch nicht mißfällt, Eurer Schönheit treuer Diener.
Kurz darauf war das Fest zu Ende, und Romeo überlegte im Heimgehen die Grausamkeit seiner ersten Geliebten, die für so vieles Schmachten ihm so geringen Lohn gab, und beschloß, sich, sofern es ihr genehm wäre, ganz dieser zu weihen, obgleich sie der Familie seiner Feinde angehöre. Auf der andern Seite dachte das Mädchen fast an nichts als an ihn und befestigte sich nach vielen Seufzern in der Ansicht, sie müsse unendlich glücklich sein, wenn sie Romeo zum Gatten bekommen könnte; aber wegen der Feindschaft zwischen den beiden Häusern war sie sehr ängstlich und hatte wenig Hoffnung, ein so erfreuliches Ziel zu erreichen. So von ihren Zweifeln hin- und hergeworfen, sagte sie oftmals zu sich selbst: Ich Törin! Von welcher Lockung lasse ich mich in ein so seltsames Labyrinth verleiten, wo ich ohne Führer bleibe und nicht wieder herauskann, wenn ich auch wollte, da Romeo mich nicht liebt; denn bei seiner Feindschaft gegen meine Familie kann er auf nichts anderes abzwecken als auf meine Schande, und wenn er mich auch zur Frau haben wollte, so würde doch mein Vater niemals einwilligen, mich ihm zu überlassen.
Dann kam sie wieder auf andere Gedanken und sagte: Wer weiß, vielleicht gerade, um den Frieden zu befestigen zwischen den beiden Häusern, die schon müde und überdrüssig sind, sich fortwährend zu befehden, könnte es mir noch gelingen, auf die Art, wie ich es wünsche, zu seinem Besitze zu gelangen.
Und daran hielt sie fest und fing an, ihm durch Blicke ihre Zuneigung zu bezeugen. Da nun die beiden Liebenden in gleicher Flamme glühten und jeder den schönen Namen und das Konterfei des andern in der Brust eingegraben trug, huben sie an, bald in der Kirche, bald am Fenster ihres stillen Liebesverkehrs zu pflegen, so daß es keinem von beiden wohl war, als wenn sie sich sahen. Er vornehmlich fühlte sich so entflammt von ihrem holden Wesen, daß er fast die ganze Nacht mit größter Lebensgefahr allein vor dem Hause des geliebten Mädchens weilte und bald an dem Fenster ihres Zimmers emporkletterte und sich davor, ohne daß sie oder sonst jemand es wußte, hinsetzte, um ihrer süßen Stimme zu lauschen, bald sich auf der Straße hinlegte.
Eines Nachts begab es sich durch Fügung des Liebesgottes, daß der Mond ungewöhnlich hell leuchtete, und während Romeo eben auf ihren Erker emporsteigen wollte, öffnete das Mädchen, sei es nun zufällig oder weil sie ihn in frühern Nächten gehört hatte, das Fenster, trat hinaus und sah ihn. Er aber, in der Meinung, nicht sie, sondern sonst jemand öffne den Balkon, wollte in den Schatten einer Mauer fliehen. Sie erkannte ihn jedoch, rief ihn beim Namen und sagte zu ihm: Was macht Ihr hier um diese Stunde so allein?
Er hatte sie nun auch schon erkannt und antwortete: Wozu mich die Liebe treibt.
Wenn man Euch aber hier beträfe, sagte das Mädchen, könntet Ihr nicht leicht ums Leben
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