Italienische Novellen, Band 1
Mönch ihren ganzen Kummer und bat ihn bei der Liebe und innigen Freundschaft, welche, wie sie wußte, zwischen ihm und Romeo bestand, er möchte ihr doch in dieser äußersten Not seine Hilfe nicht versagen.
Was kann ich hier zu deinem Besten tun, meine Tochter, antwortete der Mönch, da eine so heftige Feindschaft zwischen deinem Hause und dem deines Gatten besteht?
Die betrübte junge Frau sagte darauf: Mein Vater, ich weiß, daß Ihr vieles zu bewerkstelligen imstande seid und mir auf tausend Arten helfen könnt, wenn Ihr wollt. Mögt Ihr mir aber sonst keine Wohltat erweisen, so vergönnt mir wenigstens das! Ich höre, daß man Vorbereitungen zu meiner Hochzeit trifft in einem Palaste meines Vaters, der zwei Meilen vor der Stadt gegen Mantua zu liegt. Dort wollen sie mich hinführen, damit ich weniger Herz habe, meinen neuen Bräutigam abzuweisen; sobald ich dort bin, kommt dann der mir Bestimmte auch dahin. Gebt mir nun so viel Gift, daß ich mich von diesem Kummer und Romeo von solcher Schmach befreien kann; wo nicht, so werde ich mir ein Messer in den Leib stoßen, was mir schwerer fällt und ihm auch weher tut.
Als Bruder Lorenzo hörte, daß ihr Mut so groß war, und überlegte, wie sehr Romeo ihn in seiner Gewalt habe, so daß er ihm ganz sicher feind würde, wenn er in dieser Angelegenheit ihn nicht förderte, sprach er zu der jungen Frau also: Sieh, Giulietta, ich bin, wie du weißt, Beichtvater von der Hälfte dieser Stadt und stehe bei jedermann in gutem Ruf; auch wird kein Testament gemacht oder Friede geschlossen, wo ich nicht dabei wäre. Deshalb möchte ich um alle Schätze der Welt nicht in einen aufsehenerregenden Handel mich einlassen, noch wünschte ich, daß man mich in der Sache irgend für beteiligt halte. Dennoch will ich aus Liebe zu dir und zu Romeo mich zu einem Schritte verstehen, den ich noch für niemand getan habe, unter der Bedingung jedoch, daß du mir versprichst, meinen Anteil daran immer geheimzuhalten.
Sie antwortete: Mein Vater, gebt mir nur unbesorgt das Gift, denn es soll nie jemand außer mir davon erfahren.
Gift, versetzte er, werde ich dir nicht geben, meine Tochter! Es wäre allzusehr Sünde und schade, wenn du so jung und schön sterben solltest. Wenn du aber über dich gewinnen kannst, etwas zu tun, was ich dir sagen werde, so gebe ich dir mein Wort, daß ich dich sicher zu deinem Romeo bringen will. Du weißt, daß die Gruft von euch Cappelletti sich außerhalb dieser Kirche auf unserm Kirchhof befindet. Ich will dir ein Pulver geben. Wenn du das trinkst, wirst du auf achtundvierzig Stunden oder etwas mehr oder weniger in einen Schlaf versinken, daß jedermann, auch der größte Arzt, dich entschieden für tot halten wird. Du wirst dann ohne Zweifel, als wärest du verschieden, in der besagten Gruft beigesetzt; ich aber hole dich, sobald es Zeit ist, heraus und behalte dich in meiner Zelle, bis ich zu dem Kapitel gehe, das wir in kurzem in Mantua halten. Alsdann führe ich dich, in unsre Ordenstracht verkleidet, mit mir zu deinem Gemahl. Aber sage mir, wirst du dich nicht fürchten vor dem Leichnam deines Vetters Tebaldo, der erst vor kurzem dort beigesetzt worden ist ?
Die junge Frau war schon ganz heiter geworden und sagte: Mein Vater, wenn ich nicht anders zu Romeo kommen könnte, so würde ich furchtlos selbst durch die Hölle zu wandern mich erkühnen.
Wohlan denn, sagte er, da du so gestimmt bist, bin ich bereit, dich zu unterstützen; aber ehe etwas geschieht, solltest du, meine ich, mit eigener Hand Romeo das ganze schreiben, damit er nicht, dich tot wähnend, aus Verzweiflung irgendeinen übereilten Schritt tue; denn ich weiß, daß er dich über alle Maßen liebt. Ich habe immer Brüder, die nach Mantua gehen, wo er, wie du weißt, sich derzeit aufhält. Mache, daß ich den Brief bald bekomme, den ich ihm dann durch einen zuverlässigen Boten senden will.
Nach diesen Worten verließ der gute Mönch (wie wir denn immer sehen, daß ohne die Teilnahme dieser Männer nichts Wichtiges zu einem rechten Ziele gedeiht) die junge Frau in dem Beichtstuhl, eilte in seine Zelle und kehrte schnell zu ihr zurück mit einem kleinen Gefäße mit Pulver.
Nimm dies, sagte er zu ihr, und trink es unbesorgt, wann es dir recht ist, etwa um drei oder vier Uhr der Nacht, in frischem Wasser! Um sechs Uhr ungefähr wird es dann zu wirken anfangen, und unser Anschlag muß uns unfehlbar gelingen. Vergiß aber nicht, mir den Brief zu schicken, den du an Romeo schreiben mußt!
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